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Vom Zwei- zum Dreifrontenkrieg
Bei der auf reine Abwehr abgestimmten Kampfaufgabe der Gruppe
Rohr gewannen die Befestigungen naturgemäß erhöhte Bedeutung. Sie
waren bei Beginn der Kämpfe geradezu das Rückgrat der Gebirgsfront,
weil sie — nicht zum geringsten mit ihren zwar kleinen, aber alpin
hervorragend ausgebildeten Be satzungs détachements der Kaiserschützen¬
regimenter — den sonst fast durchwegs milizartigen Truppen der Verteidi¬
gungsabschnitte einen festen Rückhalt boten. Sie wirkten sich nach Kriegs¬
beginn aber auich deshalb günstig aus, weil die Italiener die Abwehrkraft
dieser meist veralteten Sperrbefestigungen weit überschätzten.
Es waren dies an der Tiroler Westfront die ¿um Teil noch aus der Zeit vor 1866
stammenden, im Jahrzehnt vor dem Weltkrieg aber erweiterten und auf Kasematt- und
Panzerwerke umgebauten Sperren und Befestigungsgruppen von Gomagoi und Tonale.
Im Süden Tirols sollten die Werke von Lar dar o und die Festung Riva der Verteidigung
der Judikariensenke dienen. Auf der Hochfläche von Folgaria—Lavarone war auf
Anregung des Gdl. Conrad in den letzten acht Jahren vor dem Weltkriege ein mehr
Angriffszwecken dienender Waffenplatz entstanden. Die Tiroler Ostfront wurde in
den 80er Jahren bei Landro und Sexten, dann später bis 1905 bei Tenna *) (westlich
von Levico), Paneveggio, Moena, Buchenstein, Tre Sassi (beide östlich von Arabba)
und Plätzwiese (westlich von Landro) zum Schutze der Val Sugana und der Dolomiten¬
übergänge vor italienischen Einbrüchen mit Sperrfesten versehen. In etwas zurück¬
gezogener Lage fing die Festung Trient, deren Gürtel um die Jahrhundertwende durch
Anlage moderner Panzer werke gegen Süden erweitert worden war, die im Etschtal
führende Vormarschlinie auf. Trient bildete infolge seiner Lage auch den Kern für
die Verteidigung Südtirols. Dem an der Schweizer Grenze gelegenen Kasemattwerk
Nauders kam nur untergeordnete Bedeutung zu. Die alte Franzensfeste hatte bloß
noch Depotzwecken zu dienen.
Die Einbruchwege nach Kärnten sperrten die uralten, unter Conrads Amtstätig¬
keit als Chef des Generalstabes in Panzerwerke umgebauten Forts bei Malborghet und
Flitsch sowie die kasemattierte Anlage bei Raibl.
Sehr stiefmütterlich war der Grenzraum am Isonzo mit Fortifikationen bedacht.
Nachdem schon nach der Annexionskrise die Gefahr eines Dreifrontenkrieges hervor¬
getreten war, wurde er erst im Jahre 1912 durch einige westlich von Tolmein er¬
baute feldmäßige Stützpunkte verstärkt.
Der Hauptkriegshafen Pola erfuhr in den 80er Jahren eine Erneuerung seines
Nordgürtels, der sich jedoch bald als zu eng erweisen sollte, und dem nach Kriegs¬
ausbruch eine feldmäßige Anlage vorgelegt wurde. Die Seefront >vurde um die Jahr¬
hundertwende durch die moderne Befestigung der Reede von Fasana und der Insel
Lussin bereichert 2).
Als nun von August 1914 an mit der Möglichkeit eines italienischen
Angriffes gerechnet werden mußte, plante man fürs erste, sich im wesent¬
lichen auf die vorhandenen permanenten Anlagen zu stützen. Da diese
*) Die hier erbauten zwei Werke galten als vorgeschobene Forts der Festung Trient.
2) Über die Küstenbefestigungen siehe Bd. I, 84.