Der Durchbruchsversuch der Besatzung von Przemysl
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sichtlich nur auf Reichswehrtruppen, das ebenere Gelände konnte hier
die Raschheit der Bewegung fördern, auch ließ der Stoß in dieser uner¬
warteten Richtung eine Überraschung der Russen erhoffen. Kusmanek
gab sich aber keinen Täuschungen hin. Eine Summe unerhörter Glücks¬
fälle wäre notwendig gewesen, um das Unternehmen zum gewünschten
Ausgange zu bringen. Nach Gelingen des Durchbruches hätte man sich
der feindlichen Verpflegsvorräte in Mosciska und S^dowa Wisznia be¬
mächtigen und dann auf gewaltigem Umwege den Anschluß an Pflanzer-
Baltin gewinnen müssen. Selbst ohne feindliche Gegenwirkung wären die
hiezu unerläßlichen großen Marschleistungen bei der Entkräftung der
Mannschaften ausgeschlossen gewesen. Der Verteidiger von Przemysl
wollte jetzt nur noch die Waffenehre durch einen heroischen Schlußakt
bis zum letzten Ende wahren, gleichviel ob das Unternehmen zu ruhm¬
vollem Untergange oder zu kaum erhofftem Gelingen führen würde.
Immerhin konnte dem Feinde Abbruch getan, Verwirrung in seine Reihen
getragen und auf diese Weise den Karpathenarmeen genützt werden,,
Am 19. sollte zuerst der Einschließungsring durchstoßen werden,
worauf der Rest der Besatzung nach Zerstörung der Werke und der Ar¬
mierung sowie nach Vernichtung des gesamten Kriegsgeräts der Durch¬
bruchsstaffel zu folgen hatte.
Gdl. Kusmanek wandte sich mit einem Funkspruch an den Obersten
Kriegsherrn x) :
Eure Majestät!
Nach ununterbrochenen sechsmonatigen Kämpfen vom Feinde unbesiegt, jedoch
durch Hunger gezwungen, wird morgen, den 19. März, die Besatzung von Przemysl,
obzwar die Mannschaft durch monatelange Entbehrungen aller Art fast ganz entkräftet
ist, den Versuch beginnen, den eisernen Ring des Feindes zu durchbrechen, um vor
ihrem wahrscheinlichen Untergange der Feldarmee vielleicht doch noch einen Dienst
zu leisten.
In diesem schicksalschweren Augenblicke erheben sich unsere Herzen in unent¬
wegter Liebe und Treue zu Eurer Majestät. Kusmanek Gdl.
Der Kaiser antwortete:
Die Meldung des heroischen Ausfalles, den die bisher unbesiegte Besatzung
Przemysls zu unternehmen entschlossen ist, hat Mich tiefstens ergriffen und aus dem
Grunde Meines Herzens sende Ich den Helden, die eine letzte Großtat zur Ehre des
Vaterlandes und dem Ruhm unserer Waffen beginnen, Meine Segenswünsche. Was die
1) Kusmanek hatte als mehrjähriger Vorstand des Präsidialbüros des Kriegs¬
ministeriums das Protokoll bei den alljährlich unter Vorsitz des Kaisers abgehaltenen
Konferenzen über die Personalien der Generale zu führen gehabt und war daher dem
Herrscher näher bekannt.