Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

erwuiröet' 
von Otto Germar 
Die Verwundung in der Schlacht löst bei den Betroffenen die verschiedensten — 
oft widersprechenden — Empfindungen aus. Manche, bis dahin tollkühn, werden 
mit dem Augenblick der Verwundung furchtsam-nach dem Sprichwort: 
„Gebranntes Kind scheut das Feuer." Dem Mute ist gewisiermaßen durch die 
Verwundung das Rückgrat gebrochen. Andere sieht man im dichtesten Kugel¬ 
regen, den Arm in der Binde, aufrecht schreiten, als seien sie nun gewisiermaßen 
durch ihren Schuß gegen weitere Kugeln gefeit. Beide Zustände find krankhafter 
Natur, der eine nach der negativen, der andere nach der überpofitiven Seite 
neigend, beide jedenfalls jenseits der Norm. Weit interesianter als der rein 
physische ist dieser psychische Niederschlag der Verwundung. Man kennt ähnliches 
vom Sport her, wo Boxer, Läufer oder Schachmeister nach einer Niederlage, die 
ihnen unerwartet kam, niemals im Leben wieder ihr volles Gleichgewicht, ihre 
volle Kämpferstärke erreichten. Sie find zerbrochene Menschen irgendwie fortan, 
weil ihr übersteigertes Selbstbewußtsein einen unheilbaren Knacks wegbekommen 
hat. Auch der Soldat in der Schlacht muß oft mit einem übersteigerten Selbst¬ 
bewußtsein arbeiten und sich für unverwundbar halten. Tritt nun doch — wider 
dieses Erwarten — eine Verwundung ein, so ist das übersteigerte Selbst- und 
Sicherheitsgefühl auf das empfindlichste — mindestens zunächst — gestört. 
Anders der an sich Furchtsame in der Schlacht: die Kugel trifft ihn, er sieht und 
fühlt, daß er noch lebt, daß das gar nicht so schlimm ist, wie er geglaubt hat, von 
einer Kugel getroffen zu werden. Zudem fühlt er sich als Verwundeter plötzlich 
irgendwie ins Heldische gewachsen mit dem Erfolge, daß sein an sich geringes 
Selbst- und Sicherheitsgefühl ins Angemessene sich steigert. And der bangend in 
die Schlacht gegangen, verläßt sie verwundet nun: schreitend gleich wie ein Held. 
Alles dies bezieht sich natürlich nur auf leichtere und mittlere Verwundungen. 
Die psychische Einstellung des Schwerverwundeten und auch des Verschütteten 
ist eine ganz andere. Hier kann sich das Seelische nicht mehr so variiert zeigen. 
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