Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Ernst Jünger ~ Das Antlitz des Weltkrieges 
gewürfelt — glückt mir die Erstürmung des Parkes von VLlu, wobei drei Ge¬ 
schütze und ungeheuere Mengen von Lebensmitteln in unsere Hände fallen und 
zunächst einmal für die Kampftruppe beschlagnahmt werden. Datteln, Feigen, 
Apfelsinen, eine Lore voll Schokolade, eine Feldküche mit noch heißem Gulasch 
und große Mengen Alkohols werden erbeutet. Ich muß mich mit der Pistole 
vor die Lebensmittelzelte stellen, um die Ausgehungerten zum Weitervorgehen zu 
bewegen. Es werden Leute in aller Eile bestimmt, die möglichst große Mengen 
der Lebensmittel der weiter vorgehenden Truppe nachzuschaffen haben. Die 
riesigen Alkoholbuddeln muß ich dagegen zu meinem eigenen Leidwesen entzwei- 
schießen, um der drohenden Demoralisierung vorzubeugen. In solchen Augen¬ 
blicken tut der Truppe der Führer fast noch mehr not als beim Angriff selber. 
Wir werfen uns dreihundert Meter jenseits des Parkes von Völu in Granat¬ 
trichter — von der englischen Feldartillerie unangenehm beschoffen. Große 
Mengen der erbeuteten Lebensmittel werden uns von den hierzu ernannten 
Leuten nachgebracht — Alkohol meiner strengen Anweisung gemäß nur in 
geringen Mengen —, und so können wir uns von den Strapazen des Vormittages 
ein wenig erholen. Ich zeichne unsere Stellung ein und schicke die Meldung 
an den Negimentsstab, die ihn aber niemals erreicht hat, da der Melder unter¬ 
wegs vermutlich gefallen oder verwundet ist. Der Zufall will es, daß ein be¬ 
sonders großer Hasenfuß, der — obwohl zu einer anderen Kompanie gehörig — 
sich bereits vor einem Vierteljahr im Vourlonwalde liebevoll mir angeschloffen 
hatte und durch nichts zu bewegen war, von meiner Seite zu weichen, daß der sich 
auch heute meinem Vormärsche an Veaumetz und Lebucquiöre vorbei durch den 
Park von Velu anschließt und nicht zu bewegen ist, mit einem Kameraden 
zusammen ein paar englische Gefangene nach hinten zu bringen. Aus übergroßer 
Furcht ist er — wie damals! — immer ganz vorn und folgt mir wie ein Schatten 
und begleitet unsern Vormarsch mit ununterbrochenem lauten Beten — ohne 
daß auch nur ein Kamerad mit der Wimper zuckte. Schlägt eine Granate be¬ 
sonders nahe ein, so betet er besonders laut. And da ist keiner unter diesen harten 
Soldaten, der auch nur lächelte darüber. Nun liegen wir in unsern Trichtern 
und verzehren die ungewohnten Leckerbiffen. Nun macht sich der Führerausfall 
der Artillerie und der Mangel an Fliegern in höchst grotesker — diesmal aber 
gottlob nicht tragisch endender Weise geltend: Mittags haben wir den Park von 
Völu genommen und unsere jetzige Trichterstellung dreihundert Meter feind- 
wärts des Parkes eingenommen. Vis nachmittags um sechs Ahr schießt unsere 
Artillerie wütend in den Park von Velu hinein. Da nutzt kein Leuchtkugel¬ 
hochschießen — das wird nur vom Feinde bemerkt und mit Granaten beantwortet. 
Noch weitere Melder nach hinten zu schicken, wage ich nicht, da wir nur noch zwei 
Dutzend Mann sind — die berühmten Männer, die sich zwischen zwei Feuer gesetzt 
haben. Ein noch weiteres Vorgehen wäre möglich, aber gefahrvoll, da wir schon 
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