Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Trommelfeuer 
soldatische Einsicht es verwirft — er ahmt nach aus übergroßer Vegeisterungs- 
fähigkeit, er idealisiert den Gegner und sein Beispiel. Der Franzose — zu der 
gleichen Tat fähig — würde sie aus Temperament, Bravour — Eitelkeit begehen 
— der Engländer beging sie aber tatsächlich und buchstäblich einzig, um ein paar 
Meter Weges abzukürzen! — Der vollkommene Tatsachenmensch — unsachlich 
aus übertriebener Sachlichkeit noch — und uns, wiewohl rassennahe, in Wahr¬ 
heit doch weltenfern. 
Der erfahrene Soldat hatte es nach wenigen Minuten heraus, ob drüben Eng¬ 
länder oder Franzosen hinter den Geschützen standen. Der Tommy schoß sogar 
unter Einhaltung bestimmter „Sanitätspausen" zu den gleichen Tageszeiten an 
die gleichen, ihm wichtig erscheinenden Knotenpunkte, Straßenkreuzungen und 
Dorfausgänge und belegte im großen Zwischengelände nur noch die ihm natürlich 
bekannten Bunker mit Störungsfeuer, sonst aber war man durchschnittlich — an 
Nichtkampftagen — einigermaßen sicher vor ihm, falls man ihm nicht gar zu 
obstinat vor den Augen seiner weitsichtbaren Feflelballone herumlief; er hatte eben 
Methode in seiner Kampfesart, der Franzmann mehr-Tollheit, denn schlag¬ 
artig anders war es, sowie er hinter den Geschützen stand: man war hinfort zu 
keiner Zeit und an keinem Platze mehr seines Lebens sicher. Der Franzmann 
streute — scheinbar planlos — das Gelände ab; doch war dies schon Tollheit, 
hatte es doch auch — Methode: die Methode des Unmethodischen, das ge¬ 
fährlich Sprunghafte, das dem Deutschen so völlig wesensfremd ist und den „Erz¬ 
feind" — rein blutmäßig — kennzeichnete — nicht den schwersten Gegner, aber 
den unangenehmsten, der auf die Nerven fiel durch seine stimmungsdiktierte Un- 
sachlichkeit. Der Engländer war nie Feind; immer nur Gegner — oder wie der 
Titel des großen englischen Dramas es so schön, so sachlich besagt: „Die andere 
Seite!" 
Seit Tagen liegen wir nun bei Passchendaelen im englischen Trommelfeuer. Uns 
gegenüber Kanadier und Australier — also Elite — also wird es bald Sturm 
geben. Aber neben uns, der Gardedivifion, liegt eine berühmte bayerische Kampf- 
division — die Chancen stehen also: pari. Der einzige Ruhemoment in den vier- 
undzwanzig Stunden: die kurze Sanitätspause, die der Tommy gentlemanlike 
allvormittags einhält. Auf Kilometerausdehnung ein einziger Betonklotz, sonst 
nur Trichter, die wenigstens einigermaßen trocken sind. Der Bunker ist noch über¬ 
raschend heil, es ist, als spielte der Tommy Katze und Marts mit ihm, denn er ist 
auf Granatfleckschuß auf ihn eingeschossen, nur hat er bisher noch kein schwereres 
Kaliber darangesetzt, sondern begnügt sich, den Eingang hin und wieder mit 
Störungsfeuer zu belegen, und die ersten Toten der Kompanie liegen auch vor 
diesem Eingang, deffen Nähe folglich jeder scheut; es ist wirklich sicherer im 
offenen Granattrichter, an deffen Lehmwände man sich anschmiegt, das Gesicht 
nach unten, alldieweil Tommys bestgehaßte Flieger in unglaublich geringer Höhe 
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