Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Das große Bild des Krieges 
zwischen der militärischen und der politischen Gewalt. Als Beispiele seien die 
Auseinandersetzungen über den ünterseebootskrieg und über die Friedensangebote 
genannt. Theoretisch hätten sich beide Gewalten in der Person des Kaisers, in der 
sich die beiden Eigenschaften des obersten Kriegsherrn und des obersten Landes¬ 
herrn trafen, vereinigen müssen. Praktisch erwies sich jedoch, daß die Führung des 
Arbeitskrieges einen anderen Rahmen als den einer konstitutionellen Monarchie 
verlangt. Der Krieg hat am Beispiel der westlichen Staaten gelehrt, daß selbst eine» 
reine Demokratie den Übergang zur straffen Zusammenfassung der Gewalt, durch 
die sich Kampf- und Arbeitskraft vereinigen, leichter zu vollziehen vermag. So 
zeigte sich in Deutschland am Schluß des Krieges, gerade als die Einheit des Han¬ 
delns in besonderem Maß erforderlich war, die völlige Ausschaltung der Krone 
und die getrennte Beendigung des Krieges in seiner einerseits politischen, anderer¬ 
seits militärischen Eigenschaft. Cs ist dies ein Vorgang, an deffen Folgen wir noch 
schwer zu tragen haben. Die modernen Industriestaaten verlangen im Kriege wie 
im Frieden die schärfste Einheit und die feinste Ausbildung der Steuerung. 
Wie unterscheidet sich nun die Arbeitsmobilmachung im Zeitalter der Maßen 
und Maschinen von dem Begriff der Mobilmachung, wie er sich im neunzehnten 
Jahrhundert entwickelt hat? Eben dadurch, daß sie nicht mehr die militärischen 
Körper der Staaten allein in Bewegung zu setzen versucht, sondern ihre Arbeits¬ 
kraft, von der die militärischen Anstrengungen nur eine der Äußerungen sind. 
Aus diesem Bestreben geht eine ganze Reihe von bedeutsamen Folgen hervor. 
So entsprang die Anficht, der man vielfach vor dem Weltkriege begegnete, daß ein 
moderner Krieg schon der Kosten wegen nicht länger als sechs Wochen dauern 
könne, der veralteten Vorstellung von einem festen Kriegsschatz, der, etwa als 
Goldvorrat, in einem Spandauer Turm aufbewahrt würde. Der Krieg lehrte 
jedoch sehr bald die Kunst, das Geld als eine bewegliche Größe mobilzumachen — 
es wurde nach einem sehr schnellen Umsatz immer wieder der Maschinerie des 
Krieges zugeführt. In einer der ersten Maßnahmen bei Kriegsausbruch, nämlich 
in der Aufhebung der Goldwährung, deutete sich also schon ein Schritt zur 
Arbeitsmobilmachung an. 
Als ein ebenfalls sehr bedeutsamer Schritt ist die Gleichsetzung der Kampfkraft 
des einzelnen Menschen mit seiner Arbeitskraft anzusehen. Ebenso nämlich, wie 
sich das Leben des Soldaten an der Front immer mehr zum Leben eines Arbeiters, 
eines unter sehr gefährlichen Bedingungen arbeitenden Kriegstechnikers ver¬ 
wandelte, gestaltete sich das Leben des Arbeiters in der Heimat zu einem 
soldatischen Leben um. Der gesetzgeberische Ausdruck dieses Verhältniffes ist das 
„Zivildienstpflichtgesetz". Eine der Folgerungen, die sich hieraus ergeben werden, 
ist die Erweiterung der Dienstpflicht nicht nur auf jeden Wehrfähigen, sondern 
auch auf jeden Arbeitsfähigen; der Dienst mit der Waffe wird also nur der ehren¬ 
volle Spezialfall einer bedeutend weitergespannten Verpflichtung sein. 
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