Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Ernst Jünger ~ Das Antlitz des Weltkrieges 
duktion von Feuer überbieten zu wollen, wie es im geschäftlichen Leben ein Fehler 
ist, sich von einem rein auf den Preis gerichteten Konkurrenzkampf Erfolg zu ver¬ 
sprechen. 
Wo die Preise ihre Grenze erreichen, wechselt die Konkurrenz auf das 
Gebiet der Qualität. So mußten auch, nachdem die Herstellung von Feuer durch 
Maschinen ihre letzte Möglichkeit erreicht hatte, Maschinen zur Herstellung von 
Bewegung erfunden werden. Äber derartige, von Schienensträngen unab¬ 
hängige Maschinen verfügte die menschliche Intelligenz seit geraumer Zeit — 
es galt nur, ihnen für den Kampf ihre spezielle Form zu geben. 
Die Sonne sieht nichts Neues — ein Akt, wie er dem ersten Anrollen von Tanks 
in der Materialschlacht entspricht, hat sich schon vielfach vollzogen, solange es 
Kriege gibt. Der Versuch, feste, im Laufe der Zeit erprobte uud erstarrte Auf¬ 
stellungen mit neuen Mitteln zu durchbrechen, mit Pferden, Panzern, Kriegs¬ 
wagen, Elefanten, keilförmigen Kolonnen, wird hier im Zeitalter der Maschine 
mit maschinellen Mitteln wiederholt. Er kann an den strategischen Gesetzen, die 
gleichsam die kriegerischen Anschauungsformen a priori sind, nichts ändern, aber 
er entspringt dem Willen, diesen Gesetzen eine neue, der Zeit entsprechende 
Exekutive zur Verfügung zu stellen. Daher ist der Augenblick, in dem die ersten 
durch Motoren getriebenen Panzerwagen vor den deutschen Stellungen an der 
Somme auftauchen, ein kriegsgeschichtlicher Moment von hohem Rang. Noch 
gleichen diese Fahrzeuge einem Kinderspielzeug, das leicht zerbricht — aber die 
Geschichte der Erfindungen ist reich an Spielzeugen dieser Art. 
Auch vom Tank läßt sich nicht sagen, daß er sich zu einer Waffe entwickelte, die 
den Krieg entschied. Seine Wirkung kam nicht zur vollen Entfaltung, und so 
deutete sich in seinem Bereich der tödliche Wettbewerb zwischen der Menschenkraft 
und der Maschinenkraft mehr an, als daß er zum Austrag kam — jener Wett¬ 
bewerb, bei dem die Maschine noch auf allen Gebieten, auf denen sie auftauchte, 
den längsten Atem behielt. 
Ebensowenig wie der Tank seine technische Vollendung in einer sehr kurzen Zeit¬ 
spanne erreichen konnte, hat sich die Art seiner Verwendung und die Begrenzung 
seiner Aufgaben bestimmt. Der Tank ist nur ein Mittel, nur eines der Mittel 
des Kampfes im technischen Raum, deffen Gesetze er nicht bestimmt, sondern voll¬ 
zieht, und denen er seine Entstehung verdankt. Er ist ein Ausdrucksmittel einer 
neuen kriegerischen Epoche, ebenso wie die Maschine selbst nicht den Beginn, 
sondern den Ausdruck einer neuen Epoche des Geistes repräsentiert. Daher schafft 
der Tank nicht das Bild der technischen Schlacht, sondern er ist eine Erscheinung, 
die in ihren Rahmen gehört. Wie dieser Nahmen durch die Wirksamkeit eines 
neuen Denkens entsteht, ist eben so schwer zu beschreiben, wie die Entstehung einer 
modernen Großstadt zu beschreiben ist. Die Schlacht bedient sich nicht nur in 
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