Nilder aus der Sommeschlacht
allerdings ist schlimm, den muß ich eben selbst verteidigen." Der Augenblick, die
Bewegung macht es, daß ich sage: „Aber sehen Sie sich dieses Mal, Franyois,
nicht unnötig aus!" — Er schüttelt meine Hand kräftig und ernst: „Wir Franeois"
haben nun mal ein eigenartiges Verhängnis. Auf Wiedersehen, es wird bald
Tag, und der neue Segen geht los." Ich schaue ihm nach und weiß mit einem
Male klar und deutlich, daß ich einen Freund gefunden und verloren habe.
Durch Salmuth erfahre ich nun endlich auch die Vorgänge, die sich bis zu dem
Augenblick abgespielt haben, der das Bataillon seine jehige Stellung erreichen ließ.
Der Verlust der ersten Stellung bei Maurepas, dem kein Mann jener vorderen
Linie entronnen war, hatte die bayerische Regimentsführung in völlige Ver¬
wirrung gesetzt. Der Erfolg war, daß der Regimentskommandeur unserem
Bataillon ohne jede Angaben den Befehl erteilte, mitten in der Nacht
den Gegner, von dem er nicht einmal wußte, wo er sich befand, an¬
zugreifen und zurückzuwerfen. Dabei hatten die Bayern noch nicht einmal
eine Ahnung davon, ob ihre zweite Stellung bei Le Forest, also jetzt die
erste, nicht ebenfalls schon zersprengt sei. Mit ihren Resten in Gestalt
jenes hilfreichen Abschnittskommandeurs hatte ich ja selbst Fühlung nehmen
können.
Kein Wunder, daß Hauptmann v. Calm energisch den Befehl zurückwies. In
dem allgemeinen Hin und Her trat Franyois auf, der mit seiner ungeheuren
Persönlichkeit, der sich so leicht keiner entziehen konnte, durch knapp gestellte, ein¬
deutige Fragen aus dem bayerischen Oberstleutnant herausholte, was heraus¬
zuholen war. „Bitte die Karte! Dieses ist also die Foreststellung. And die ver¬
lorengegangene erste?" Aufmerksam studiert er das Gelände, dann weiß er Be-
scheid, wendet sich an Calm: „Gestatten, Herr Hauptmann, daß ich mit meinem
Stoßtrupp als Spitze vorausgehe. Etwa vierhundert Meter vor der ehemaligen
zweiten, jetzt ersten Foreststellung, feindwärts zu, diese Höhe hier, rechter Flügel
Straße Le Forest-Maurepas, müffen wir erreichen. Ich glaube nicht, daß sich
der Franzose darüber hinaus vorwagte. Einzelne Abteilungen werden geworfen."
Franyois' Plan war glänzend gelungen. Wir haben genau trotz Nacht und
Feuer die Höhe erreicht, auf deren anderer Seite der Franzmann liegt, kaum weiter
als sechzig Meter von uns entfernt. Immerhin haben wir noch ein Schußfeld
von etwa dreißig Meter. Ich beschäftige mich wieder mit Buddeln. Iahnke ist
eben von Reinhard abgelöst und schläft den festen, glücklichen Schlaf des jeder
Verantwortung baren Soldaten. Endlich ist das „Quartier" soweit. Eng an¬
einander können wir zu dritt darin liegen, aber mit angezogenen Knien. Run ist
alles in der Erde, die meisten haben im Schlaf Hunger und Durst vergeffen. Ich
wache für Reinhard und harre des Morgens, ungestümes Bangen und feste Zu¬
versicht im Herzen.
1 Beim Regiment Elisabeth fielen vier Leutnants von §ran?ois, sämtlich Neffen ües bekannten Eannenberg-Generals.
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