Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Bilder aus der Sommeschlacht 
dann sehen wir schon die ersten Häuser von Rancourt. Uber die Straße Vouch- 
avesnes-Sailly gehts ein wenig schneller hinweg bis zu einem Hohlweg. Dort ist 
auch Salmuth, neben ihm ein Bayer. An der Sprache des Mannes schon merkt 
man, daß er fertig ist. Wir verzichten auf weitere Gruselbeschreibungen. Francois 
ist schon weiter zur dritten Stellung bei der Priez-Ferme. Der Bayer hat ein hä߬ 
liches, totes Lachen: „Dritte Stellung? Ist jetzt zweite, wenn nicht schon erste. 
Was weiß ich?" Die Granaten sausen über uns hinweg, hie und da Stöhnen aus 
den Hecken, aus den Dorfhäusern. „Hier ist noch der günstigste Platz für einen 
Heimatschuß!" ruft irgendeiner. „Da vorn bleibt man liegen!" Unteroffizier 
Reinhard kommt zu mir: „Der Zug ist im Obstgarten, rückwärts des Hohlweges!" 
Ich gehe mit ihm. Die Leute haben die Gewehre zusammengesetzt, stehen umher. 
„Hier können wir nicht bleiben," stelle ich fest. Da heult es auch schon heran. 
„Aufs Feld!" brülle ich in den entsetzten Haufen. Ratsch, ratsch! bohrt es sich in 
den weichen Boden, reißt dicht neben den Gewehren splitternd auseinander. Gott 
sei Dank, die meisten find fort, eilen dem Hohlweg zu. Ein paar haben sich in 
unsinniger Fassungslosigkeit in ein Haus geflüchtet. Ha! stöhnt das Balken¬ 
werk, bricht auseinander und begräbt eine Gestalt unter sich. Ich falle durch den 
Luftdruck der Länge nach hin, dann find wir im Hohlweg. Endlich ist alles wieder 
zusammen, keine Verluste. Auch der Mann im Hause blieb unverletzt, bis auf den 
Schreck. Aber nein, zwei kommen da angehinkt, sind vergnügt, denn sie brauchen 
nicht mehr in die Hölle hinein. An der Hecke stöhnt es. Mein Sanitäter eilt 
durch das Feuer hinüber. Es ist ein Mann der fünften Kompanie und schwer 
verwundet, Steckschuß in den Rücken. Immer noch liegen die Sperrfeuerlagen in 
unserer Vormarschstraße. Die ungefähre Richtung deutet ein einzelner Baum, 
mitten im öden, feuerübersäten Feld. Es ist ein zersplittertes, kahles Ding, das 
dort auf der Höhe steht, von Granateinschlägen und belfernden Schrapnells ein¬ 
gekreist. Dreihundert Meter vorwärts soll sich die Stellung befinden. Ich muß 
auf einmal an Liliencron denken, an seine Novelle „Der Richtungspunkt". Unsere 
sechste ist schon im Vorgehen, aber ich bin der dritte Zug, der letzte. Verdammtes 
Wartenmüssen! 
Endlich trifft es auch uns. Ich, Iahnke und Hilgruber marschieren mit der ersten 
Gruppe. Es ist spät Nachmittag geworden. Das Feuer hat nachgelassen, nur 
auf der Höhe mit dem Richtungsbaum liegt ein unermüdlicher Feuerriegel. Unter¬ 
wegs treffen wir Verwundete, nicht schlimm, den tras's am Finger, den ein wenig 
am Kopf, aber sie haben Blut gesehen und drängen nun nach rückwärts. Endlich 
haben wir die Höhe erreicht. Hier ein leichtes Geschütz, ohne Deckung steht es 
da. Das sicherlich glühendheiße Rohr heult Schuß nach Schuß hinaus. Neben 
ihm ein junger Leutnant, die Zigarette im Munde. Zu seinen Füßen zwei 
Leichen. Leicht legt er die Hand an die Mütze. Ich grüße zurück. 
Dann ein Graben, die befohlene Stellung, ein Körper liegt halb in ihm, halb aus 
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