Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Ernst Jünger ~ Das Antlitz des Weltkrieges 
hat. Unser nächstes Ziel ist Rancourt, das wir auf dem kürzesten Wege durch 
den St.-Pierre-Vaast-Wald zu erreichen haben. Ich marschiere zusammen mit 
der fünften, sechsten und achten Kompanie. Hier die Karte!" 
Die Handgranaten werden ausgeteilt, jeder Mann zwei Stück. Die fünfte Kom¬ 
panie hat die Spitze. Franyois scheint guter Laune zu sein. Unter seinem Stahl¬ 
helm blicken seine herrischen Augen herausfordernd umher. 
Die Kompanieführer find noch beritten, bis links vor uns ein Waldstück auftaucht, 
schon verdammt gelichtet. Da höre ich auch schon die einschlagenden Granaten, 
bis vorn finds aber noch sechs und mehr Kilometer. Franyois ist der letzte, der 
fich von seinem Pferde trennt. Er liebte seinen Rappen sehr. Dann ziehen fich die 
Züge auseinander, setzen fich in Reihen, und es geht durch den Wald. Außer 
Iahnke nehme ich mir noch den famosen Ostpreußen Hilgruber als Schätzer. Unter¬ 
offizier Reinhard ist am Ende, ich an der Spitze des Zuges, der die Kompanie 
beschließt. 
Die beiden ersten Züge find schon durch den Wald, als das Feuer erneut beginnt. 
Ich laffe halten und rekognosziere. Rechts und links Wald, vor mir Lichtung 
und weiterhin Kornfelder, zertreten, zerschossen. Der zweite Zug ist doch noch 
neben mir. Irgendein Unteroffizier ruft mir zu: „Wir gehen weiter rechts, hier 
schießen fie hin!" „Wo?" will ich fragen. Da kommt schon irgend etwas Furcht¬ 
bares durch die Luft, reißt mich zu Voden, wirft die Erde über mich, daß nur noch 
mein Kopf hinausschaut. Irgend etwas Schmerzendes fährt mir hinters Ohr, und 
meine Augen sehen brennendes Feuer. Aber da packt mich schon der Unteroffizier: 
„Sind Herr Leutnant verwundet?" Mit aller Willenskraft fahre ich hoch, fasse 
mir in das dreckbespritzte Gesicht, spüre auch ein wenig Blut dabei — nein, ich bin 
heil. Reben mir, nicht mehr als zehn Meter, klafft ein gähnendes Loch. „Schwein 
gehabt," sage ich lakonisch. Und dann rücken wir vor. Oh, geht das langsam! So 
im Feuer stehen müssen und nicht vorwärts gehen können, weil andere vorn sind, 
und der letzte sein müssen und noch dazu wissen, daß der Feind so weit ist und 
seine Ziele nicht einmal sieht, sehen kann! 
Reben mir ist auf einmal ein Arzt, der Vataillonsarzt vr. Kleemann. Es ist 
glühend heiß. Wir lagern mit einer Gruppe am Abhang. Hinter uns schlagen 
jetzt die Granaten ein. Aber ich weiß, daß da noch mehr durchmüffen, noch die 
Hälfte meines Zuges und die ganze achte Kompanie. Da — ein Reiter und auch 
ein Wagen preschen durch das Feuer: Meldereiter! „Schweinerei!" sagt da der 
Doktor trocken. „Wir find in die Stellungen unserer schweren Artillerie ge¬ 
raten. Jetzt fehlen nur noch die feindlichen Flieger!" Ja, die fehlten noch, aber 
nicht lange. Ich habe glühenden Durst und keine Feldflasche! Von den Leuten 
mag ich nichts. Darum begrüße ich den Wein Kleemanns um so dankbarer. 
Rechts seitwärts steht ein schweres Geschütz. An dem müffen wir vorbei, und. 
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