Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Ernst Jünger ~ Das Antlitz des Weltkrieges 
Angriffsvorbereitungen die zahlreichen, noch aus der letzten Flandernschlacht vor¬ 
handenen Hallen leer waren. Was geht hier vor? Während wir mit laufendem 
Reihenbildner einen Flugplatz nach dem andern überfliegen, überlege ich. Wie 
war es beim Feinde vor dem letzten Großangriff, wie sah es bei uns vor unserem 
eigenen Angriff bei Armentiöres aus? Der damalige Armeebefehl fällt mir ein. 
Rach diesem trafen am Tage vor dem Angriff die Verstärkungsgeschwader von 
allen Fronten auf dem Luftweg auf unseren Flugplätzen ein. Überall wimmelte es 
damals von Flugzeugen in den Häfen. Die Mannschaften waren teilweise auf 
ihren Lastautos noch nicht eingetroffen, es fehlte an Leuten, die Flugzeuge in 
Deckung zu bringen, die Hallen waren überfüllt, die Motoren mußten im Freien 
abgebremst werden. Kurz, trotz aller Bemühungen war der Antransport der Flug- 
reserven nicht zu verbergen gewesen. Um ähnliches wird es sich wohl heute auch 
beim Feinde handeln. Doch weiter jetzt zum Tankpark und -Übungsplatz. Hier 
wimmelte es noch vorgestern von den schwarzen Dingern. Er ist leer, es ist also 
inzwischen alles nach vorn gerollt. Vielen Dank, ihr Sechs, daß ihr mich zu 
dieser Extratour veranlaßt habt, es hat sich gelohnt! Verflucht! Wo ist denn der 
sechste? Das ist immer eine dumme Geschichte, wenn plötzlich einer weniger da ist 
als vorher. Der hat sich dann oft leise losgemacht und taucht mit knatterndem 
Maschinengewehr in der Sonne oder unter dem Schwanz auf. 
Ich stoße meinen Führer an, weise auf die Engländer, zeige erst sechs, dann fünf 
Finger. Cr begreift sofort. Jetzt bekümmere ich mich nicht mehr um die Erde, 
jetzt heißt es, den Hals dreimal so schnell drehen. Bis über den Bauch hänge ich 
über Bord, um bester unter die Tragflächen sehen zu können, nichts ist da. Ich 
winke „Rechtskurve". Ganz plötzlich wendet der Führer das Flugzeug. Dicht 
unter uns glotzen zwei Kokarden. Das ist ja ein ganz ausgekochter Bursche. Cr 
hatte sich nicht unter den Schwanz gehängt, sondern er hatte uns vorn unter dem 
Motor angestiegen, wo ihn keiner von uns beiden hatte sehen können. Ich zeige 
nach unten, mein Führer nickt. Kehrtkurve! Damit wir während des Luftkampfes 
von den andern Brüdern wegkommen. Senkrecht stehen die Tragflächen. Während 
der Drehung mache ich das Maschinengewehr fertig. Das Flugzeug liegt wieder 
gerade. Das war schön geflogen. Rechts hinten unter uns liegt er, noch in der 
Kurve. Ehe er sich geradelegen kann, bevor er durch Drücken sich genug Fahrt 
holen kann, um sein Flugzeug gegen uns hochzuziehen und zu schießen, knattert 
mein Maschinengewehr, die roten Pünktchen der Leuchtspurgeschoste fliegen durch 
seine Flächen. Jetzt hat er genug Fahrt, er zieht. Vollkurve bei uns! Bei ihm 
rattert eine kurze Serie, kann uns aber nicht in der Kurve fasten. Dann ist er 
unter der Tragfläche verschwunden, erscheint wieder, erhält noch eine Reihe 
Schüffe, trudelt etwa dreihundert Meter tiefer, fängt sich und zieht ab im Gleit¬ 
flug. Die Überraschung ist ihm mißglückt, viel passiert scheint ihm nicht zu sein. 
Auf jeden Fall sind wir ihn los, grinsend stellen wir dies fest. 
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