Volltext: Das Antlitz des Weltkrieges

Ernst Jünger — Das Antlitz des Weltkrieges 
mittelbar bevorstehenden Angriffs anzeigen konnten. Heute ging es also aufs 
Ganze, denn dieser Flugauftrag bedeutete, daß nicht nur das eine Mal beim Hin- 
und das andere Mal beim Rückflug die feindliche Iagdfliegersperre zu durchfliegen 
war, daß vielmehr der ganze Flug hinter der feindlichen Front entlang über sämt¬ 
liche feindlichen Flughäfen führen und während seines ganzen Verlaufs in Sicht 
der feindlichen Sperrgeschwader stattfinden mußte. 
Also nun ran an die Front! Innerlich umschalten! Dein Leben gilt jetzt nichts 
mehr, nur der Auftrag! Was, der Schalter funktioniert nicht? Ist nicht schlimm, 
das kennen wir. Roch einmal versuchen! Was soll denn das bedeuten? ... Das 
Leben war wirklich sehr schön bisher, das will ich dir zugeben. Aber glaubst du 
vielleicht, daß es noch schön bleibt, wenn du weißt, daß du dich einmal in ihm 
hundsgemein benommen hast? Was, du willst immer noch nicht? Ja, was mache 
ich nur mit dir, mein Junge? Sei doch nicht so langweilig, schließlich bekomme ich 
dich ja doch, warum denn nicht gleich? Das ist für uns beide doch viel bequemer. 
Siehst du da hinten über Dixmuiden die Wölkchen? Dort schießen sie auf einen, 
der ist gut eingewickelt. Du hast recht, über Apern sind sechs englische Jagd- 
einsitzer, sechstausendzweihundert Meter hoch, zweihundert Meter tiefer als wir. 
Die dürfen uns nicht erwischen. Sie steigen gut und haben uns bald, wenn wir 
uns dumm anstellen. Also etwas halblinks, wir müßen an der Armeegrenze über 
die Front! Kleiner Umweg, aber darauf kommt es gar nicht an. Venzin genug 
haben wir. Ich stoße meinen langbewährten Kameraden, meinen Flugzeugführer, 
an, zeige nach Ppern, er nickt. Ich winke auf die Armeegrenze. Er folgt dem 
Wink, dreht das Flugzeug, dreht aber zu weit. So fliegen wir auf unserer Seite 
die Front entlang, aber nicht hinüber. Oho! Was ist das? Zwei laurige Kerls 
in einem Flugzeug, das wäre doch! Ein Ruck im Gehirn: der Schalter hat funk¬ 
tioniert. So, das Leben ist jetzt zu Ende, es war sehr schön. Schluß! Fernauf¬ 
klärung! Ich stoße ihn zum zweitenmal an, gebe die Flugrichtung wiederum an. 
Er dreht richtig. Darauf rückt er sich im Sitz zurecht, nimmt den Kopf hoch, schiebt 
die Brille gerade. Dann sieht er sich die Herren über Ppern genau an, sucht links 
den Himmel nach schwarzen Punkten ab, sieht rechts über Vord nach unten, nun 
links: er ist an der Arbeit. Da ist es also nun auch in Ordnung. Run los! 
Ein Griff zum Einstellhebel des Reihenbildners; er läuft. Dann wird seine Lauf¬ 
geschwindigkeit geregelt. Ich habe nun die Sicherheit, daß ich meinen ganzen 
Flugweg, lückenlos selbsttätig photographiert, mit nach Hause bringe. Dann an 
das Maschinengewehr! Einige Probeschüsse in die Luft; es ist in Ordnung. 
Inzwischen sind wir an das Trichterfeld gekommen, langsam schiebt es sich unter 
uns hinweg. Ein Blick unter den Flugzeugrumpf, kein feindliches Flugzeug zu 
sehen. Dann wird sorgfältig der Himmel zur Linken abgesucht. Das ist nicht ganz 
einfach, da die Sonne blendet. Gerade aus der strahlenden Sonnenscheibe ist aber 
ein Angriff besonders zu fürchten, denn das Sonnenlicht ist die einzige Deckung 
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