Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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gruppen nicht imstande sind, selber untereinander die Gerechtigkeit zu 
wahren (56). 
Die Hauptarbeit ist zu leisten in «der Betriebsgemeinschaft und ihrer 
berufständischen Fortsetzung (67). Dabei kommt den Slandesvereinigun- 
gen der Arbeiter selbst die größte Bedeutung zu (59). Solche Vereini 
gungen bestehen zu recht (60, 61); weil in vielen Arbeilervereinigungen 
durch deren Zührer Gewissenszwa>ng ausgeübt wird, müssen die christ 
lichen Arbeiter eigene Vereinigungen gründen (64). Diese Vereinigungen 
.dürfen auf die weltanschauliche Schulung nicht vergessen (66); dann wer 
den die christlichen Arbeitervereinigungen auch die übrigen Massen wie 
der zurückgewinnen» wie die Geschichte lehrt (68, 69). Auch Zachgelehrte 
müssen der Arbeiterschaft zu Hilfe kommen und ebenso vermögende 
Katholiken (65). 
Es tut bei all dem aber höchste Lile not: 
„Ls muß aber jeder sofort ans Werk gehen, sonst wird dieses Unheil 
so groß, daß seine Heilung noch viel schwieriger wird als sie heute ist." (Leo, 
Arbeiterfrage 70.) 
Weün wir auf die 52 Lahre zurückblicken, die seit Leos Rund 
schreiben verflossen sind, so müssen wir sagen: Gar zu sehr hat sich die 
katholische Welt nicht beeilt, die Worte des Papstes in die Gat um 
zusehen. Ls ist bis heute im großen Ganzen nicht gelungen — einige 
Länder wie Holland, Belgien ausgenommen — die christliche Arbeiter 
bewegung an Zahl und Macht der sozialistischen ebenbürtig an die Leite 
zu stellen. Vielerlei Uebel waren daran Schuld. 
Zunächst haben wir für unsere Arbeiterbewegung im engeren Sinn, 
aber auch für die berufständische Seelsorge im weiteren Linp, soweit 
sie den Arbeiterstand betrifft, viel zu wenig sozial geschulte Priester 
gehabt. So konnten sich innigere Beziehungen zwischen Arbeiterstand 
und lehrender Kirche nicht entwickeln. 2m 19. Lahrhundert war Leo 
selbst der letzte große kirchliche Vertreter des ArbeiterstandeL. Bischöfe 
wie Manning, Ketteler hat das 20. Lahrhundert noch nicht gesehen. 
Was die staatliche Hilfe anlangt, so haben in Oesterreich zuerst die 
vielgelästerten Konservativen in den herrschenden, arbeiterfeindlichen 
Zreisinn Bresche gelegt. Die ersten Verbessernugen in der Gewerbe 
ordnung, die Versuche zum Höchstarbeitstag stammen in Oesterreich aus 
dem konservativen Lager und setzten bald nach 1880 ein. Deutschland folg 
te nach und überholte Oesterreich bald. Leider gingen die Gesetze dann 
immer den umgekehrten Weg, als Leo riet: Man machte die Regelung 
unmittelbar vom Staate aus. Man unternahm keinen Versuch, die Ln- 
Lustrieverbände, Handwerkergenossenschaften, Bauernverbände mit den
	        
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