Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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sen wir auch unterscheiden zwischen Handwerkern, Bauern, geistigen Be 
rufen. Beide Unterscheidungen sind gleich wesentlich. Wohl verständigt 
sich der österreichische Gelehrte äußerlich leichter mit dem österreichischen 
Bauern — weil beide dieselbe Sprache sprechen, — innerlich aber ver 
steht sich der österreichische Bauer mit dem französischen viel rascher, weil 
wir von den Eigenheiten absehen, die aus der Siedlung stammen — und 
von der widernatürlichen Verhetzung der Völker durch die Zeitungen 
und sonstigen Wortführer. Das zeigt uns wieder das tägliche Leben auf 
Schritt und Tritt. Kommen zwei Leute' aus verschiedenen, einander 
wenig berührenden Ständen zufällig zusammen, so ist der Gesprächstoff 
meist bald erschöpft. Ganz anders, wenn in einer Eisenbahn zwei 
fremde Metallarbeiter miteinander reden, zwei Weinbauern, die sich 
zum erstenmal gesehen, zwei Lehrerinnen — da will das Gespräch 
kein Ende nehmen, sie haben eben eine Unmenge Berührungen, die 
sie miteinander verbinden. Darum ist z. B. für Lehrer und Seel 
sorger so wichtig, daß sie mit den beruflichen Verhältnissen der 
Bevölkerung, unter der sie zu wirken haben,' vollständig vertraut 
sind; gibt sich ein Lehrer keine Mühe, in das Berufsleben seiner 
Umgebung einzudringen, so bleibt er den Leuten fremd, selbst wenn er 
dreißig Sahre unter ihnen wirkt. Ueberall sehen wir, daß die Gleich 
heit des Berufes einander verbindet. 
Run beruht die Wirtschaft auf zwei Grundlagen, auf Aatur und 
Arbeit, oder anders ausgedrückt: auf Eigentum und Arbeit. Der Beruf 
aber ist eben die geregelte wirtschaftliche oder gesellschaftliche Tätigkeit. 
Dadurch ergibt sich eine doppelte Schichtung. Es gehört auf der einen 
Seite z. B. alles zusammen, was mit dem Gewerbe der Metallverarbei 
tung zu tun hat: Arbeiter, Aufseher, Ingenieure, verwaltende Besitzer, 
Lehrer in den Lehrwerkstätten für Metallgewerbe; ebenso in der Land 
wirtschaft: Landarbeiter, Bauer, landwirtschaftlicher Lehrer. Daß das 
Metallgewerbe gut vorwärts gehe, daran sind alle, die mit.ihm zu tun 
haben, unmittelbar beteiligt, denn alle sind in gleicher Weise'geschädigt, 
wenn es nicht gut geht. Wir erhalten dadurch also mindestens g e i st i g e, 
seelische Berufsgenossenschaften, Berufsstände, Berufsgruppen, oder 
welchen Aamen wir sonst gebrauchen wollen. Wie nun die Siedlung, die 
Heimat, Berührungen schafft, die zunächst zu einer geistigen Gemeinschaft 
führen und dieser GemeMschaft dann bestimmte Hoheitsrechte geben, so 
führt auch die Berufsgemeinschaft zu Berufskörpern mit eigener Ho 
heit, wenn das Berufsleben gesund ist und von außen keine Hemmnisse 
dazwischen treten. 
Daneben besteht eine zweite Schichtung: die verwaltenden Besitzer, 
die Eigentümer z. B. sämtlicher Metallwarenfabriken haben bestimmte
	        
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