Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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standes in Oesterreich. Wie stark das 19. Jahrhundert in der klassen 
mäßigen Anschauung der Gesellschaft befangen war, kennzeichnet gerade 
der Umstand so treffen-, -aß man bei Geistesarbeitern, bei Beamten, 
Buchhaltern, sonstigen Angestellten den Urlaub für ebenso selbstver 
ständlich fand als die Tatsache, daß so weite Kreise des Volkes wie die 
Arbeiterschaft keinen Urlaub hatten. Man mag einwenden, daß die 
Geistesarbeit stärker abnutze als die körperliche. Aber weder auf dem 
Gebiete -der geistigen Arbeit liegen die Dinge überall gleich, noch auf 
dem Gebiete der Handarbeit, und so allgemein aufgestellt, dürste die 
Behauptung kaum zu beweisen sein. Das Programm führt als Haupt 
grund für den Urlaubsbedarf die mechanische Arbeitsweise an. Mecha 
nisch arbeitet mancher Rechnungsbeamter ebenso wie der Schriftsetzer. 
Sode Arbeit zeigt zwei Leiten: Lie ist Segen und sie ist Fluch. Sie ist 
Segen, weil sie uns die nötigen Güter schafft, und sie ist Zluch, weil sie 
abnützt, ermüdet, abstumpft, also, wenn nicht im rechten Maße betrie 
ben, unsere Menschlichkeit untergräbt. Das gilt von jeder Arbeit, ganz 
besonders aber von der mechanischen. Diese üblen Folgen können wir 
nicht anders vermeiden als indem wir längere Ruhepausen einschalten, 
den Urlaub. 
Ls ist der Urlaub nicht gar so schrecklich neu. 2m alten Handwerk 
war er immer üblich, schon durch die zusammenhängenden Feiertage ge 
geben, die sich an Ostern, Weihnachten und sonstige Feste anschlössen. 
2n der Landwirtschaft ergibt er sich von selbst, indem schon die Aatur 
zu Zeiten nachläßt und zu schlafen scheint. Da bleibt dann auch dem 
Menschen nichts anderes übrig, als in der Arbeit nachzulassen. Weil 
die Zeiten vorüber sind, da das Gewerbe noch seinen ruhigen, unhastigen 
Gang ging und von selbst die Menschenwürde schonte, müssen wir heute 
die nötige Schonung durch neue Maßregeln festigen. 
Die Frage des Urlaubes läßt sich weiter ausdenken zu einem Bild, 
das allerdings noch sehr in der Zukunft liegt: Der Lohnarbeiter sollte 
nicht nur auf den Ertrag seiner gewerblichen Tätigkeit angewiesen sein, 
er sollte auch unmittelbar aus dem Boden selbst Frucht erzielen können, 
also Gartenbau im Nebenberuf betreiben, wie der Dorfhandwerker 
ganz allgemein die Landwirtschaft als Nebenberuf betreibt. Auch in der 
Wirtschaft hält doppelt genäht besser. Dieser Gartennebenberuf des 
Arbeiters hat ja Gott sei Dank recht kräftige Fortschritte gemacht, 
zumal unter dem Einfluß des Achtstundentages. Er ist auch nur denkbar 
beim durchschnittlichen Achtstundentag, ja er braucht dringend freie 
Tage für jene 2ahreszeiten, in denen der Gartenbau besonders viel 
Arbeit erfordert. Wir können doch nicht schlechtweg die Sonntage dazu 
mißbrauchen. Es läßt sich nun ganz gut eine Regelung in der Weise
	        
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