Volltext: Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs

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wir bei der Landwirtschaft und beim Handwerk hervorgehoben haben: 
die Abhängigkeit von der Sahreszeit und die Aähe zur Kunst. Hier 
müssen wir am Achtstundentag festhalten. Und hier kann der Durch 
schnitt bezogen werden auf die Woche- ja vielfach ganz streng auf den 
Tag. Gerade beim Großgewerbe fühlen wir, wie recht Bischof Anto 
nius von Florenz hatte, wenn er — 1450 — schrieb: „Für die Gewin 
nung des Lebensunterhaltes genügt eine ganz kurze Arbeitszeit." Denn 
können die erzeugten Waren nicht gekauft werden, so hat die Erzeugung 
selbst allen Sinn verloren. Man muß nur nicht glauben, der Zweck eines 
Großbetriebes bestehe darin, einem einzelnen Betriebsherrn oder einer 
Wenge von Herren, den Aktionären, möglichst hohen Gewinn abzu 
werfen. Auch der Betriebsherr hat nur das Recht auf seinen standes 
gemäßen Lebensunterhalt, soweit er in seinem Betrieb als Verwalter- 
Ordner, Zriedenserhalter Arbeit leistet, und der reine Aktionär, der nur 
vom Besitz lebt, hat überhaupt kein natürliches Recht auf Einkommen. 
Der großgewerbliche Arbeiter halte also strenge fest an jenem eng 
lischen Arbeitersprllchlein: „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf- 
acht Stunden Erholung." 
Die acht Stunden Erholung braucht er reichlich, um ein ordent 
liches, inneres Familienleben zu führen. Die Arbeit hat ja den Zweck- 
dem Menschen sein Familienleben erhalten zu helfen. Stört sie es, so 
verliert sie überhaupt ihren inneren Zweck. 
Bei besonders schweren Arbeiten, etwa in jenen Gruppen, die Leo 
ausdrücklich anführt, ist auch der Achtstundentag zu hoch. 
Warum verlangen wir den Achtstundentag, das heißt, warum nen 
nen wir die Ziffer, die doch etwas Starres an sich hat und in vielen 
Zweigen der menschlichen Arbeit nicht eingehalten werden kann? Weil 
der Achtstundentag eine Lieblingsforderung der gesamten Weltarbeiter- 
schaft ist, ganz unabhängig von der zufälligen Parieistellung und ganz 
unabhängig vom zufälligen Staat. Weil wir endlich der Ueberzeugung 
sind, daß im ganzen genommen — diese Arbeitszeit in volkswirtschaft 
lich gesunden Zeiten nicht überschritten wurde. Schon Karl der Große 
hat für seine Hofarbeiter den Achtstundentag festgesetzt; in mittelalter 
lichen Arbeitsordnungen finden wir ihn häufig. Er scheint also tatsächlich 
der menschlichen Aatur innerlich zu entsprechen. Es ist einer der größten 
Lichtpunkte unserer Zeit, daß die Pariser Zriedensverträge, die fönst 
soviel Ungerechtigkeiten mit sich brachten, hier einmal auch etwas 
Menschliches geleistet haben, indem sie für die erste Tagung der Arbeits- 
Konferenz als ersten Punkt der Lagesordnung setzten: Anwendung des 
Grundsatzes des Achtstundentages oder der Arbeitswoche von 4ö 
Stunden.
	        
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