Volltext: Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege

64 REGIERUNG UND VERWALTUNG VOR DEM KRIEGE. 
im Staate und in den Kronländern herbei und dadurch wurde von 
da ab die Stellung der Bureaukratie, als einziger leitender Kraft 
im Staate, gewissermaßen der gesamten Welt in anschaulichster 
Weise klar gemacht. Da nicht nur die Bildung einer pariamen* 
tarischen Mehrheit im Abgeordnetenhause unmöglich gemacht 
worden war, sondern durch die konstante Obstruktion bald 
dieser, bald jener Seite das Mehrheitsprinzip an sich außer 
Kraft gesetzt erschien, lag nunmehr, geradeso wie vor Ein* 
führung des Verfassungsprinzips in Österreich, alle Verantwor* 
tung und politische Kraft, sowohl was die Gesetzgebung als 
auch die Gesamtpolitik und Verwaltung betraf, ausschließlich 
in dem hohen Beamtentum der Zentralbehörden Wiens. Von 
da bis zu seinem Tode hat Franz Josef seine grundsätzliche Auf* 
fassung von der Bureaukratie als dem zur Führung der Regie* 
rungsgeschäfte eigentlich allein berufenen Träger der Staats* 
gewalt beharrlich durchgesetzt. Nur daß er neben dem Minister 
für Galizien jeweils einen Vertreter des tschechischen Volks* 
elementes, einen Beamten oder Universitätsprofessor, als einen 
der Ressortminister oder als Minister ohne Portefeuille, mit in’s 
Kabinett berief. Das fünfjährige Regime Dr. v. Koerbers, des 
letzten tatsächlich staatsmännisch begabten Beamten als Mini* 
sterpräsidenten, stellte noch einmal den Höhepunkt der Regie* 
rungsfähigkeit der österreichischen Bureaukratie vor. Die aus* 
schließliche Machtposition, welche in diesen letzten Dezennien 
das hohe Beamtentum Wiens gewonnen hat, brachte jedoch auf 
der anderen Seite unvermeidlich bedeutende Nachteile und innere 
Schäden der Verwaltung mit sich: da es nun die ganze poli* 
tische, administrative und legislative Aufgabe der Staatsregie* 
rung allein zu erfüllen hatte, übernahm es vor der öffentlichen 
Meinung aller Völker mit voller Verantwortlichkeit eine Auf* 
gäbe, an deren Schwierigkeiten es schließlich scheitern mußte. 
Es war unvermeidlich, daß mehr und mehr die auf dem Boden 
der inneren Politik nur allzu bald hervorkommenden Enttäu* 
schungen ausschließlich ihm allein zur Last gelegt werden 
mußten, zumal selbst eine so ausnehmend starke und zugleich 
elastische Persönlichkeit, wie Dr. von Koerber, erkannte, daß 
in unserer Zeit eine dauernd erfolgreiche Regierung durch ein 
tatsächlich absolutistisches, von Beamten besorgtes Regime in 
einem großen Staate wie Österreich eigentlich ganz unmöglich 
geworden war. Da war ein Staat, in dem neun Völker unablässig
	        
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