Volltext: Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege

16 REGIERUNG UND VERWALTUNG VOR DEM KRIEGE. 
Generalität und der Hof widerstrebten im Grunde genommen 
jeder Einräumung wirklicher politischer Selbständigkeit an die 
Völker, sei es auch nur an deren obere Klassen; der eigent* 
liehe Inhaber der staatlichen Gewalt und in Wahrheit das für 
die Dynastie unentbehrlichste soziale Element, nämlich die 
durchaus deutsche Bureaukratie, war in ihren führenden Man* 
nern entschlossen, nur einem sehr gemäßigten Konstitutionalis* 
mus die Wege zu öffnen. Sie war darin völlig einig mit der 
politisch und ökonomisch stärksten Klasse, dem deutschen 
Bürgertum Wiens und der übrigen, weder an Zahl der Bevölke* 
rung, noch an Reichtum der Hauptstadt nahekommenden 
übrigen Städte. Bei dem damaligen Stand der wirtschaftlichen 
und allgemeinen Kultur in Österreich gab es ein modernes 
Bürgertum von politischer Bedeutung überhaupt nur bei den 
Deutschen. Die Tschechen waren in ihren großen Massen ein 
rein bäuerliches Volk mit einem nur in Prag schneller aufstei* 
genden städtischen Kleinbürgertum, das in den fast ausnahmslos 
noch unbedeutenden Landstädten des tschechischen Volks* 
gebietes in Böhmen und Mähren als Hauptträger des natio* 
nalen und politischen Aufschwunges fungierte. Immerhin war 
dank diesem regsamen, arbeitstüchtigen und bildungshungrigen 
Elemente die Entwicklung der politischen und nationalen Ideen 
seit 1848, wenn auch zunächst ganz verborgen unter der Decke 
des Absolutismus, kräftig vorwärts gegangen. Paläcky, Rieger 
und vor allem Havlicek hatten schon damals durch ihr lite* 
rarisches und persönliches Wirken festen Grund für eine künf* 
tige tschechischsdemokratische Politik gelegt. 
Unter den Polen hatte nur der nationale Adel als Klasse 
politische Bedeutung. In Galizien war die durchaus konserva* 
tive Bauernschaft damals noch kein selbständiger politischer 
Faktor und es verhielt sich damit bezüglich des kleinen Grund* 
besitzes ähnlich wie in den südslawischen Ländern. Während des 
Jahrzehntes des neuabsolutistischen Regimes waren nur zwei 
große Veränderungen in der politischen Struktur Österreichs 
eingetreten: es hatte sich erstens ein engeres politisches Ver* 
ständnis zwischen der in Wien beginnenden hohen Bureaukratie 
und dem seit 1849 sehr sanft gewordenen Liberalismus der deut* 
sehen Ober* und Mittelklasse vollzogen und zweitens hatte sich 
die Mehrheit des historischen Großgrundbesitzes, des söge* 
nannten «Feudaladels», in den Sudetenländern, den die Allmacht
	        
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