Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

getan, um sie eines Besseren zu belehren. Natürlich hätte sie den Krieg 
nicht verhindern, das eherne Muß der Geschichte nicht bezwingen können: 
aber es fragt sich, ob sie, selbst wenn eine höhere Gewalt die Geltung der 
Entwicklungsgesetze versuchsweise aufgehoben hätte, dazu bereit 
gewesen wäre. 
Denn es soll hier gleich gesagt werden: der Krieg gefiel ihr. 
Der Krieg brachte dem Manne die in der friedfertigen Nüchternheit 
der bürgerlichen Welt längst abhanden gekommene Möglichkeit, die 
sekundär-männlichen Geschlechtseigenschaften der rohen Kraft, der 
Mordlust und aller auf Vernichtung gerichteten Triebe zu betätigen, 
blutbefleckt wie Mars ins Bett der Venus zu steigen. Und nur zu oft ver¬ 
gaß die Dame über dieses ekstatische Gefühl ihrer weiblichen Macht 
allen Kummer, alle Qualen und Unmenschlichkeiten des Krieges, über 
die sie auch nicht ohne ein Mitschwingen erotischer Saiten vernahm 
und las. 
In einem kurzen Satz versucht Shaw die Gründe zusammenzufassen, 
aus denen die Frauen ihre Männer oft willig zu den Waffen greifen 
ließen. »Die Frauen ließen sie ziehen, teils weil sie sich nicht helfen 
konnten, teils weil sie gerade so kampflustig waren wie die Männer, 
teils weil sie die Zeitun¬ 
gen lasen (die ihnen nicht 
die Wahrheit sagen durf¬ 
ten) und teils weil die 
Mehrzahl von ihnen so 
arm war, daß sie nach 
den Unterstützungen griff 
und dabei mit dem Mann 
an der Front besser fuhr, 
als wäre dieser daheim 
geblieben1).« 
Wir haben schon ge¬ 
sagt, daß der Gatte der 
Dame gewöhnlich nicht 
in die Gefahrenzone kam. 
Wenn doch, so geschah 
es, weil die Dame, wie 
Shaw sagt, ebenso kriegs¬ 
lustig war wie der Mann 
und die Zeitungen las. 
Sie las sie sogar mehr als 
billig gewesen wäre. Die 
gesamte Weltpresse, die 
Ein frommer Wunsch deutscher Modeschöpfer: 
Die militarisierte Damenmode 
Aus »Elegante Welt«, 1915 
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