Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

Der Krieg wäre demnach ein grausames Äquivalent, das heißt ein 
Triebdurchbruch in sanktionierter Form. Was der Staat 
dem einzelnen verwehrt, gestattet er der Masse. Schon der amerikanische 
Psychologe W. James sprach von »The Moral Equivalents of War«, den 
moralischen Äquivalenten des Krieges, und meinte damit die Tatsache, 
daß solange der Friedenszustand nicht dem einzelnen genügende Befrie¬ 
digungen und befördernde Erlebnisse gewährt, der Krieg seine magische 
Anziehungskraft als höchstgespannte Gelegenheit zum Erlebnisrausch — 
unvermindert beibehalten werde. Sicherlich liegt ein tieferer Sinn in dieser 
Erkenntnis. Der Krieg wird seine psychologische Funktion — 
gleich dem Alkohol — solange beibehalten, bis ein anderes 
gesellschaftliches Sein den Menschen intensivere 
Wunschbefriedigung und bewegteren Rhythmus des 
Lebenslaufes bieten wird. Wenn auch der Mensch von seiner 
Triebanlage her »böse« ist, ist doch eine Wandlung denkbar, durch soziale 
und individuelle Andersgestaltung der Lebensführung — wie das von 
Einzelbeispielen wohl bestätigt wird. Unzufriedenheit mit dem Frieden 
gebärt den Krieg. Diejenigen, die enttäuscht und trostlos in der Tretmühle 
des Lebens verdorren, werden immer den Krieg als Aufschwung 
und Erlösung aus ihrer Dumpfheit und Verelendung begrüßen. 
Eine kleine Illu¬ 
stration — die je¬ 
doch für unsere 
Betrachtungen von 
Belang ist — soll 
dem Allgemeinen 
Bildlichkeit verlei¬ 
hen. Wir wissen, 
daß jeder Krieg 
die Triebkräfte der 
Grausamkeit mobi¬ 
lisiert. Der Krieg 
ist als Ganzes ge¬ 
nommen ein Grau¬ 
samkeitsakt. Wie 
dieseGrausamkeits- 
oder sadistischen 
Regungen unseres 
Seelenlebens ihre 
triebhaften Unter¬ 
gründe im sexuel- 
Hurra, der Krieg ist da! _ 
Photographische Aufnahme l^n W esen deS 
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