lieh!« ausstieß, empfanden und riefen Millionen wie er. Und der Kauf¬
mann, der in den Tagen der Mobilmachung in den Wiener Straßen eine
Rede hielt und meinte, ohne den Krieg wäre alles zusammengebrochen,
der Friede aber einfach nicht mehr zu ertragen gewesen, sprach gleich¬
falls aus der Seele aller. Alle sprachen von einem unerträglichen Druck,
der auf der Welt gelastet hatte und mit dem Kriegsausbruch urplötzlich
gewichen war. Was war dieser Druck und warum war er unerträglich?
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir in das dunkle
Reich der Instinkte hinabsteigen. Denn es waren durchwegs Instinkte,
die in der Kriegsbegeisterung, in der Freude am Krieg, der ihnen un¬
gehemmte Erfüllung verhieß, zum Ausbruch kamen. Vor allem der
Kampfinstinkt, die Lust am Blute, ein uraltes Erbe der Menschheit. Wie
dieser Trieb mit dem Kriege zusammenhängt, erklärt Prof. Nicolai:
. . . Allmählich wurde eine Möglichkeit nach der anderen, diese Lust
(am Blute) zu befriedigen, dem Menschen genommen und im achtzehn¬
ten Jahrhundert kamen so gut wie alle Methoden der legitimen Men¬
schentötung außer Gebrauch. Das arme Volk starb allerdings auch
weiterhin für die Flochgeborenen, aber es starb schweigend und nicht
mehr in der Arena . . . Nur in einigen Resten erhielten sich die offi¬
ziellen Blutschauspiele: in Spanien gab es noch Stierkämpfe, in Eng¬
land boxten die Matrosen, in
Deutschland schlugen sich die
Studenten, in Rußland gab es
verschiedene Sekten, welche
sich oder ihre Kinder töteten
(zum Beispiel die Soschigateti
und die Sekte der Spassow
Sogolassie), aber im großen
und ganzen war doch durch die
Erfolge der französischen Re¬
volution (die sich charakte¬
ristischerweise allerdings auch
in einer großen und überflüs¬
sigen Menschenschlächterei do¬
kumentiert hatte) die Möglich¬
keit in Europa ausgeschlossen,
die tief eingewurzelten Blut¬
instinkte der Menschheit zu
befriedigen. Nur der Krieg
blieb, und auf ihn konzen¬
trierten sich all diese uralten
Triebe1).
Europa auf dom wilden Stier
Zeichnung von G. Finetti
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