Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

tritt, nicht so be¬ 
denklich wäre, da 
sich unter den 
Hilfsdienst- 
damen ohnedies 
viele befänden, 
die schon früher 
das Unzuchtge¬ 
werbe ausgeübt 
hätten. Auch 
diese Auffassung 
ist bezeichnend 
für die Kriegs¬ 
ideologie, die alle Deutsche Soldaten an einem dienstfreien Sonntag 
mit ihren russischen Quartierswirtinnen 
Verheerungen Photographische Aufnahme 
der Kriegs jahre 
mit einem geschickten Rückdatierungsmanöver aus der Welt zu schaffen 
glaubte. Exner erwähnt als charakteristisch folgendes: »Als in Wien die 
reglementierte Prostitution zur Kriegszeit abnahm, wurde dies vom polizei¬ 
lichen Sittenamt u. a. damit erklärt, daß viele der für dieses Gewerbe in Be¬ 
tracht kommenden Frauenspersonen in die Etappe abgeströmt wären19).« 
Auf der anderen Seite war nichts leichter, als für den Lebenswandel der 
Etappenmädel ihren eigenen Mangel an moralischer Widerstandskraft ver¬ 
antwortlich zu machen. 
Daß das Etappenleben auch der überwiegenden Mehrheit dieser Frauen 
und Mädchen die Gesundheit kostete und daß sie einen großen Prozentsatz 
der venerisch Erkrankten lieferten, steht jedenfalls außer Frage — und so 
wollen wir uns von diesen Kriegsopfern mit den Worten verabschieden, die 
Karl Kraus ihnen in seinem grandiosen Kriegsdrama in den Mund legt20): 
Wir, die Wehrmacht zu entzücken, 
eingerückte Heereshuren, 
kehren nunmehr euch den Rücken, 
als Brigade der Lemuren. 
Blut und Tränen, Wein und Samen 
flössen euch im Bacchanale, 
und was wir von euch bekamen, 
tragen heim wir zum Spitale. 
Opfernd heldlichem Verlangen, 
angesteckt von eurem Mute, 
Rosen blüh’n uns auf den Wangen 
und die Syphilis im Blute. 
So verabscheut sind wir heute, 
denn uns schlottern die Gewänder, 
und wir schleppen unsre Beute 
in die fernen Hinterländer. 
Doch wir wachsen durch die Zeiten! 
Einstens rast ein Landsturm, brausend, 
alle Menschheit zu bestreiten, 
durch ein schauderndes Jahrtausend. 
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