Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

rüchten wird nur soviel Wahres sein, daß 
das Bewußtsein des Eroberers wie immer 
auch im Weltkriege und besonders in Bel¬ 
gien für die Deutschen ein mächtiges sexu¬ 
elles Stimulans sein mußte. Dr. Touton 
sagt mit Recht schon über die erste Phase 
des belgischen Feldzuges: 
Alle das Selbstbewußtsein und das 
Glücksgefühl im Verlaufe des Feldzuges 
hebenden Momente, also besonders 
siegreiches Vorgehen ohne 
Rückschlag und die damit verbundene 
Begeisterung und Zuversicht können 
auch indirekt hebend auf das Herren¬ 
gefühl und auf den Sexualtrieb 
einwirken und in Ruhepausen bei sich bietender Gelegenheit zur Be¬ 
tätigung drängen6). 
Was das erstere, das Herrengefühl betrifft, so können wir in gewissen 
Brutalitäten gegen die Zivilbevölkerung dessen Äußerung entdecken. 
Angaben darüber finden sich reichlich bei Wandt. Wahrscheinlich gab 
es auch Fälle, bei denen sadistische Motive den Ausschlag gaben. So 
lesen wir über einen Leutnant der Kommandantur in Gent, der wegen 
Unbotmäßigkeit vorgeführte Zivilisten erst verprügelte und dann zwang, 
»sich mit dem Gesicht gegen die Wand zu 
stellen, um zu warten, was über sie be¬ 
schlossen wurde«7). 
Den Gipfel der Besetzungsschrecken 
aber stellten die berüchtigten Aushebungen 
der Zivilarbeiterbataillone dar. Wir wollen 
auch diesen traurigsten Punkt in der Ge¬ 
schichte der belgischen Besetzung nur kurz 
berühren. Von deutscher Seite wurde diese 
Maßnahme bekanntlich mit der Blockade 
und der dadurch bedingten Wirtschafts¬ 
krise und Hungersnot der besetzten bel¬ 
gischen Gebiete begründet. Wie dem auch 
sei, die Maßnahme, die übrigens auch in 
Nordfrankreich angewendet wurde, erregte 
überall Entsetzen und stand bald bei der 
geschickten Ausschrotung durch die En¬ 
tentepropaganda als eine unauslöschliche 
Schande der deutschen Kriegsführung da. 
Deutsche Postkarte aus dem dritten 
Kriegsj ahr 
Sammlung A. Wolff, Leipzig 
»Schau, zehn Francs ist nicht teuer.« 
»Ich will nicht widersprechen, aber ich 
habe nur 10 Centimes.« 
Aus »Vie de Garnison«, 1915 
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