Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

kleinsten Plätze, um nur Ostrow, Mal- 
kow, Wolkowiesk zu nennen, boten Ge¬ 
legenheit zur käuflichen Liebe in einem 
die Heeresgesundheit schwer gefährden¬ 
den Umfang. Gegen Nordpolen zu nahm 
diese Art der Prostitution erheblich ab, 
wenngleich andere ihrer Formen hier 
um so üppiger wucherten. Man darf 
aber hierbei nie vergessen, daß es, be¬ 
sonders im Anfang der Besetzung, der 
Hunger war, der diese Verhältnisse 
zeitigte. Beim Einzug in Bialystok sagte 
ein bildschönes jüdisches Mädchen zu 
einem Kameraden: »Gib mir ein Stück 
Brot, werd’ ich dir geben eine Braut« — 
die Braut aber war sie selbst! Daß später 
die gefährlichsten Erscheinungen der 
käuflichen Liebe abnahmen, war nicht 
etwa der Besserung der Sittlichkeit der beteiligten Kreise zuzuschreiben, 
sondern der Eindämmung durch die deutsche Verwaltung, die Regle¬ 
mentierung und ärztliche Kontrolle organisierte. Und hier erst ergab 
sich ein geschlossenes Bild von Umfang und Eigenart der damaligen 
Prostitution11). 
Ein eigenartiges Kapitel bildeten hier die häufigen Verhältnisse 
zwischen Ostjüdinnen und deutschen oder österreichischen Soldaten. Hier 
verstand die Bevölkerung deutsch, was die Annäherung natürlich be¬ 
trächtlich erleichterte. Daß aber die Geschlechtskrankheiten infolge des 
Verkehrs mit nicht kontrollierten Frauen gerade in der Ostetappe 
erschreckende Dimensionen annahmen, erhellt aus einer ganzen Reihe 
von Verordnungen, die verschieden strenge Bestrafungen von geschlechts¬ 
krank en Frauen, die sich mit Soldaten abgaben, vorsahen. Eine Verord¬ 
nung der kaiserlich deutschen Zivilverwaltung für Polen links der 
Weichsel vom 22. Juni 1915 bedroht Frauenspersonen, die, obwohl sie 
wissen, daß sie geschlechtskrank sind, mit Männern verkehren, mit Ge¬ 
fängnisstrafen von zwei Monaten bis zu einem Jahr. 
Bemerkenswert an dieser Verordnung ist, daß die Kenntnis der 
eigenen Krankheit genügt, die Bestrafung herbeizuführen, daß die An¬ 
steckung des Besuchers aber dazu nicht erforderlich ist. Praktisch 
genommen ist aber der Nachweis, daß Frauenspersonen sich ihrer An¬ 
steckungsgefahr bewußt waren, sehr schwer zu liefern. Als ein Fort¬ 
schritt bei dieser Verordnung ist anzuselien, daß die Strafverfolgung 
von Amts wegen eintritt und nicht mehr vom Anträge des Angesteckten 
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