Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

sind und daß der natürliche 
Hang des Menschen am 
Leben nach Betätigung 
schreit. Man will sich noch 
einmal freuen; denn morgen 
ist man tot. Aus dem glei¬ 
chen Grunde ist die Erotik 
des Soldaten, namentlich 
zuchtloser Soldateska, so be¬ 
sonders wild. Schon große 
Strapazen des Friedens, bei¬ 
spielsweise im Manöver, er¬ 
schlaffen die Mannschaft 
nicht in sexueller Hinsicht, 
sondern reizen sie besonders 
stark an; eine eigentümliche 
Erscheinung, die ich oft be¬ 
obachten konnte. Kommt da¬ 
zu noch das Moment bevor¬ 
stehender Gefahr oder das, 
großer Gefahr entronnen zu 
sein, so treten zu der körper¬ 
lichen Disposition noch ge¬ 
steigerter Sexualwille und 
physische Erregungsmomente, die sich bei besonders veranlagten Per¬ 
sonen bis zur Raserei und bis zur Pervertierung des Geschlechtstriebes 
steigern können28). 
Die Kriegsideologie glaubte sich über diesen ganzen Fragenkomplex 
mit billigen Scherzen über die (grundlos verallgemeinerte) maßlos 
gesteigerte sexuelle Leistungsfähigkeit des Urlaubers hinwegsetzen zu 
können. Aber es half wenig. Die Sexualnot war und blieb während des 
ganzen Krieges ein ernstes, ja tragisches Problem, unlösbar wie alle 
anderen, mit denen der Krieg die Menschheit heimgesucht hat. 
Scharmützel zwischen zwei Schlachten 
»Ja, es freut einen zu sehen, daß die Pariserin 
noch immer lieb und nett ist« 
Zeichnung von R. Vincent in »La Vie Parisienne«, 1918 
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