Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

ruhigen, von Kriegspsychose 
freien Zeit keine weiteren 
Schlüsse auf die französische 
Erotik gezogen hätte. Im 
übrigen zeigte Iwan Bloch 
in derselben Ärzteversamm¬ 
lung, in der er die Phallus¬ 
frage anschnitt, die obszöne 
Parodie des französischen 
Exerzierreglements, die eben¬ 
falls bei einem französischen 
Soldaten gefunden worden 
war. Er meinte bei diesem 
Anlaß, daß ähnliche Erzeug¬ 
nisse bei deutschen Soldaten 
gewiß nicht zu finden sein 
würden14). Diese optimisti¬ 
sche Vermutung wurde im 
späteren Verlauf des Krieges 
allerdings durch die Tat¬ 
sachen widerlegt. Es gab, wie 
man mit voller Wahrschein¬ 
lichkeit behaupten kann, 
keinen Schützengraben, in 
dem bei einem Stillstand der 
Kriegsoperationen die zermürbende Langeweile eines menschenunwürdigen 
Dahindämmerns nicht durch erotischen Kitzel belebt worden wäre. Und 
diesen erotischen Kitzel bot den deutschen sowohl wie allen anderen 
Kämpfern nur allzu oft erotischer und sogar obszöner Lesestoff. Speziell 
die erotisch gefärbte Verulkung militärischer Verordnungen war allseits 
beliebt. Uns liegt ein an der österreichischen Front in unzähligen Exem¬ 
plaren verbreitetes Frontalbum, betitelt »Schweineriade«, vor, in dem 
wir die »Instruktion für das im Jahre 1915 zu errichtende Amazonen¬ 
korps« und ein Flugblatt ähnlichen Inhalts, betitelt »Organische Be¬ 
stimmungen über die Aufstellung, Organisation, den Betrieb und mili¬ 
tärische Leitung, Unterstellung und Verwaltung von mobilen Feld- und 
Reservefreudenhäusern« (vgl. S. 206 bis 207) finden. 
Natürlich kam auch die offizielle Literatur dem Schützengrabenbedarf 
an erotischer Lektüre entgegen. In einem Aufsatz über die erotische 
Dichtung im Schützengraben schreibt ein Kriegsteilnehmer (Clemens Gert): 
Natürliche, ungezwungene Erotik wird selten zur Überreizung führen. 
Anders aber steht es mit den erotischen Erzeugnissen einer Marie Made- 
Der gnädige Herr hat Fronturlaub 
Zeichnung von A. Vallee 
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