Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

wurde der deutschen 
Öffentlichkeit bei 
Kriegsbeginn die Mei¬ 
nung beigebracht, daß 
die Abstinenz durch¬ 
wegs heilsame Wir¬ 
kungen zeitigen 
würde, indem sie den 
Kriegsteilnehmern die 
Aufspeicherung ihrer 
besten Kräfte gestat¬ 
tete. Wäre der Krieg, 
wie man anfänglich 
annahm, nach einigen 
Monaten oder höch¬ 
stens einem J ahr zu 
Ende gegangen, so 
hätten diese Für¬ 
sprecher einer sexu¬ 
ellen Schonzeit viel¬ 
leicht recht behalten. 
Da es aber so ganz 
anders kam, müssen 
wir die Enthaltsam¬ 
keit der Kombattan¬ 
ten ebenso wie die 
Kriegsprostitution, 
das Etappenleben und 
die Überhandnahme der Geschlechtskrankheiten zu den schlimmsten und 
betrüblichsten Folgen des Krieges rechnen. 
Daß den mehr patriotischen als wissenschaftlich überzeugten Enthalt¬ 
samkeitsaposteln die Literatur lebhafte Assistenz leistete, kann nicht weiter 
verwundern. Man weiß, wie sehr die Literatur und Journalistik gerade in 
der ersten Zeit im Banne der Kriegsideologie oder richtiger in Wechsel¬ 
wirkung mit dieser stand, indem sie sich von ihr beeinflussen und den 
erhaltenen Einfluß verstärkt zurückströmen ließ. Verfocht die medizi¬ 
nische Wissenschaft nun den Lehrsatz der gesundmachenden Abstinenz, 
so nahmen Literatur und Presse einen Standpunkt ein, aus dem ungefähr 
dasselbe folgte: sie erwarteten vom Kriege eine machtvolle Sublimierung 
des Geschlechtstriebes. Dies ging so weit, daß der im Kriege verstorbene 
verdienstvolle Sexualforscher Eulenburg den bereits zitierten Ausspruch 
vom »Stahlbad der Nerven« tat. Unter dem Titel »Krieg und Erotik« 
Liebe an der Front 
Phantasie eines französischen Malers. Man beachte die übergroße 
phallische Darstellung des ganz überflüssig im Bilde stehenden 
Fesselballons. Ein beliebtes Motiv pornographischer Frontbilder 
Zeichnung von Louis Icart in »Fantasio« 
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