Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

Nervenerschütterungen zu 
suchen, die sie noch nie 
empfunden und im Ge¬ 
ruch des Blutes, im An¬ 
blick und der Berührung 
zuckenden Männerflei- 
sches zu finden vermögen. 
Es ist hier die Stelle, über 
die schon oft berührten Zu¬ 
sammenhänge zwischen weib¬ 
lichem Sadismus und Krieg 
noch einiges zu sagen, wes¬ 
halb wir abermals dem fran¬ 
zösischen Arzt und Frauen- 
kenner Louis Huot das Wort 
erteilen wollen. 
Auch von anderer Seite 
wird die These gestützt, 
daß jene durch den Krieg 
hervorgerufene Überakti¬ 
vität, jene ununterbro¬ 
chene Anspannung der 
Nerven bei manchen offen¬ 
sichtlich prädisponierten 
Frauen eine höhere Reiz¬ 
barkeit der Fortpflanzungszentren, die stets so prompt auf die gering¬ 
sten Ursachen organischer Störungen reagieren, hervorgerufen hat. Un¬ 
leugbar erscheint mir diese Tatsache in betreff der weiblichen Zivilbe¬ 
völkerung an der Front, deren Betrachtung von diesem Standpunkt aus 
überaus interessant ist. Unabhängig von der durch die drohende Gefahr 
und den Geschützdonner bewirkten größeren Erregbarkeit scheint es, 
als hätte der beißende Rauch der Geschosse, die auf Städte und Ort¬ 
schaften der Feuerlinie niedergingen, sie mit irgend einem Fluidum, 
irgend einem ätzenden Gift getränkt, das die Frauen berauscht und in 
ungeheuere Erregung versetzt. In einem unserer schönsten Orte leistete 
die weibliche Bevölkerung leidenschaftlichen Widerstand gegen die Ver¬ 
setzung einer Division, überhäufte die Militärbehörden mit Vorwürfen 
und geriet fast in Aufruhr, um die Soldaten in ihren Mauern zu behalten. 
Und endlich jene junge Reimserin, die, eines Nachts mitten in heftig¬ 
ster Liebesekstase von einem furchtbaren Bombardement überrascht, 
nicht auf die Fortsetzung des Liebesaktes verzichten will und ihren 
Partner wütend umklammert, so daß er kaum atmen kann und alle 
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