Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

eine sadistische Färbung ihrer Tätigkeit. Alle diese Elemente berücksich¬ 
tigt in einer vorzüglichen Zusammenstellung der anscheinend beste 
Kenner dieser Frage, der französische Arzt Dr. Huot14). Er schreibt über 
seine Pflegerinnen: 
In dem bescheidenen Wirkungskreis, der ihnen beschieden war, stellte 
ihr Feuereifer unersättliche Forderungen. Sie waren nur befriedigt, wenn 
sich ein Verwundetentransport an den anderen reihte, und bald wieder 
betrübt, zeterten, wenn der Nachbardienst mehr Zufuhr bekam. Noch 
bezeichnender ist die Anziehung, die auf alle im gleichen Maße die 
tragikerfüllte Atmosphäre der Operationssäle ausübte. Ihr höchster 
Wunsch war es, Operationen beizuwohnen, sie waren dabei unempfind¬ 
lich gegen die schwersten Eingriffe, gleichgültig gegenüber dem Stöhnen 
der Leidenden, dem Röcheln der Agonie, verloren in keinem Augen¬ 
blick ihre Kaltblütigkeit oder Geschicklichkeit. 
Mit gleicher Leidenschaft machten sich junge Frauen und Mädchen 
daran, die furchtbarsten Wunden zu verbinden, die Verwundeten zu 
pflegen, ohne vor irgend einer Berührung oder einer noch so abstoßen¬ 
den und erregenden Einzel¬ 
heit zurückzuschrecken. 
Diese von der Gesamtheit 
der Krankenschwestern be¬ 
kundete Hingebung an die 
Verwundeten und Schwer¬ 
verwundeten scheint sich un- 
gemein schwer mit der 
Legende von der Schwäch¬ 
lichkeit und Überempfind¬ 
lichkeit der Frauen verein¬ 
baren zu lassen. Ich glaube 
mich zu erinnern, daß eine 
sehr bedeutende Persönlich¬ 
keit in diesem Zusammen¬ 
lange das Wort Sadismus 
gebraucht hat. Meine Be¬ 
scheidenheit verbietet es 
mir, mich gegen ein Urteil 
von so geschätzter Seite auf¬ 
zulehnen. Trotzdem wäre 
ich für meinen Teil eher 
versucht, hierin eine Äuße- 
Seine tiefste Wunde . 1 in 
Lazarettliebschaften und kein Ende rUI1g Jener I endenZ der fran- 
»Fantasio«, 1916 zösischen Frau zu erblicken, 
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