Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

Mittel zu einem erotischen Zweck war der Pflegerinnenberuf auch für 
jene Frauen, die auf diese Weise die Bedingungen der Liebeswahl für sich 
günstiger zu gestalten hofften. Es handelte sich dabei zumeist um halb 
oder ganz verblühte Jungfern, die in dem von Männern aller Art über¬ 
füllten Lazarett sozusagen die Henne im Korb abgeben konnten. Psycho¬ 
logisch einwandfrei motiviert Henel12), wie die Heldin seiner »Pastors 
Anna« betitelten Novelle, die besonders sittenstrenge Tochter des Pastors 
einer kleinen ostpreußischen Stadt als Hilfsschwester geht: 
Aufmarsch amerikanischer Pflegerinnen in New York vor dem Präsidenten Wilson 
Photographische Aufnahme 
Das alte Mädchen, das sonst nur in verschwiegenen Träumen sich aus¬ 
zumalen gewagt hatte, wie ein Mann aussieht, arbeitete jetzt auf der 
chirurgischen Station in den heikelsten Situationen ohne Scheu und 
Zögern an den nackten Männerkörpern. Das war natürlich tapfer, ver¬ 
schaffte ihr aber außerdem auch eine gewisse Befriedigung. Sie dachte 
weniger, daß der Krieg schrecklich ist, weil er solche furchtbare Wun¬ 
den schlägt, sondern mehr daran, daß man ihn ertragen könne, weil 
er auch den Frauen erlaubt, mit vielen Männern zusammenzukommen, 
ohne sich zu genieren. 
Dort, wo die Verwundetenpflege Zweck war, mag die Selbstlosigkeit 
und Opferfreude hochherziger Frauen anerkennenswerte Früchte getragen 
haben. Gewiß fehlt es auch auf diesem Gebiete nicht an Heldentaten, die 
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