Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges I. Band (I. / 1930)

»Ich lese die Blätter und kann mir recht gut vorstellen, wie 
schrecklich es an der Front zugehen muß.« 
Die auf dem Bilde ersichtlichen Blätter sind Modezeitschriften 
Zeichnung von Maurice Motet in »La Ba'ionnette«, 1914 
W as nun die 
Nervenschwa¬ 
chen anbelangt, so 
wissen wir, daß 
diese einer steten 
Steigerung der Reize 
bedürfen, um über¬ 
haupt reizempfind¬ 
lich zu bleiben. Al¬ 
lein diese verstärk¬ 
ten Reize müssen 
zwar quantitativ der 
nach oben ver¬ 
schobenen Reiz¬ 
schwelle Rechnung 
tragen, aber glei¬ 
cher Art sein. 
Normalgeschlechtlich empfindenden, jedoch nervenschwachen Männern 
gegenüber muß daher die Frau nur ihre Weiblichkeit wirk¬ 
samer machen. 
Das zweite Moment, die Vermännlichung der Frauenmode hingegen 
sucht die andere Gruppe der Daheimgebliebenen, die der e f f e mi¬ 
ni e r t e n Männer zu fesseln. Bei diesen haben wir es hauptsächlich 
mit Masochisten zu tun, die bei Magnus Hirschfeld den Namen hetero¬ 
sexueller Metatropisten führen, deren Libido daher an starke, impo¬ 
nierende, stolze, sadistisch eingestellte Frauen fixiert ist. Über den Zu¬ 
sammenhang dieses Metatropismus mit effeminierter Wesensart sagt 
Hirschfeld: »Daß der heterosexuelle Metatropist ganz ähnlich wie der 
Homosexuelle und der Transvestit häufig einen recht femininen Eindruck, 
nicht nur psychisch, sondern auch körperlich, in Gestik und Mimik, macht, 
kann ich auf Grund eigener umfangreicher Erfahrungen bestätigen. 
Namentlich wird man, wenn man ihn genauer kennenlernt, kaum je bei 
einem Masochisten anderweitige weibliche Einschläge im Seelenleben ver¬ 
missen. Damit wird auch der Gedankengang mancher Masochisten w ider¬ 
legt, ihre Sonderart sei doch nur ein Ausfluß der männlichen Ritterlich¬ 
keit, der sich der edelgesinnte Mann dem schwächeren und schöneren 
Geschlecht gegenüber pflichtgemäß zu befleißigen habe27).« Nun aber 
steht die Bedeutung maskuliner Frauentracht und speziell hoher Stiefel 
für diese Art Männer fest und gleichfalls Hirschfeld konnte noch vor dem 
Aufkommen der eigentlichen Stiefelmode auf sie verweisen: »Ich lasse es 
dahingestellt, ob sämtliche Schuh- und S tief elf etischisten, von denen es 
unter den Männern eine recht beträchtliche Anzahl gibt, metatropisch 
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