Volltext: Die Gletscher der Ostalpen

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Nördliche Kalkalpen. 
anzusehen sein. Man könnte die ganze Gattung nach diesen Typen 
Sch lucht gl etscher nennen. 
Es darf hier nicht übergangen' werden, dass gerade diese Schlucht 
gletscher, obwohl sie durch ihre abweichende Entstehungsart sich als 
etwas Besonderes, von normalen Gletschern Verschiedenes erweisen, von 
mehreren Autoren als eigentliche Gletscher angesprochen worden sind, 
im Gegensätze zu jenen Kalkalpengletschern, die oberhalb der Schnee 
grenze auf Plateaus liegen, wie der Plattachferner und der Ewige 
Schnee (Uebergossene Alpe), und welche wegen des Mangels an Eis 
zungenbildung nur als Firnfelder bezeichnet werden 1 ). An ersteren 
zeigen sich nämlich gewisse Erscheinungen,. welche an die Zungen 
steilgeneigter Gletscher erinnern, nämlich Spalten und Moränen. 
Man denkt offenbar an solche Zentralalpengletscher, deren Zungen in 
steilen Schluchten liegen, wie etwa die des Laaser- oder Trafoiferner 
(Ortler-Gr.). Doch ist die Aehnlichkeit nur eine äusserliche. Diese 
Gletscher besitzen bedeutende FirnfeldePals Nährgebiete; das Charak 
teristische der Schluchtgletscher ist aber gerade, dass sie kein oder 
nur ein ganz unbedeutendes Nährgebiet besitzen und .dass ihr ganzer 
Bestand nur von einem zungenähnlichen Körper gebildet wird. 
Hingegen unterscheiden sich die grösseren Kalkalpengletscher, 
welche in Mulden liegen, wie die des Dachsteins, in gar nichts von den 
Zentralalpengletschern, und diejenigen, bei welchen keine Zungen 
bildung zustande kommt, wie beim Plattacherferner und beim Ewigen 
Schnee, verdanken das nur dem orographischen Bau ihrer Unterlage. 
Würden sich die Plateaus, auf welchen sie liegen, in der Mitte mulden 
artig senken, so besässen sie ohne Zweifel Zungen, so gut wie andere 
Gletscher. Auch gibt es in den Zentralalpen ebenso gebildete Plateau 
gletscher, z. B. die Vedretta di Lares (Adamello-Gr.) oder den Watzfeld- 
gletscher (Hollersbachth., hohe Tauern). 
Ich halte es daher für richtiger, die Kalkalpengletscher nach 
ihrer Entstehungsart und ihrem Verhältnis zur klimatischen Schnee 
grenze in der Weise abzuteilen, dass ich den in der Schneeregion ein 
Nährgebiet besitzenden (eigentlichen) Gletschern die nur unter oro 
graphischen Begünstigungen unterhalb derselben existierenden Schlucht 
gletscher entgegenstelle. 
Die von den Gebrüdern Schlagintweit (Untersuchungen über die 
physikalische Geographie der Alpen, S. 42 ff.) ausgesprochene Ansicht, 
dass auf Kalkunterlage keine rechten Gletscher entstehen könnten, da 
das durchlässige Gestein die Vereisung des Firnes durch rasches Ab 
führen des Sickerwassers unmöglich mache, ist von Sonklar * 2 ), Simony 
und anderen besonders durch die genaue Durchforschung der Kalk 
alpengletscher widerlegt worden. Ich finde im Gegenteil — und im 
folgenden wird sich Gelegenheit ergeben, darauf zurückzukommen -—, 
dass die nördlichen Kalkalpen infolge tiefer Lage der Schneegrenze 
und des Vorkommens von Schluchtgletschern und zahlreichen Firn 
3 ) So Hermann von Barth in: Deutsches Land und Volk, von Klöden und 
Koppen, I, S. 139. 
2 ) Sitzungsber. d. k. Akad., XXIII, S. 872.
	        
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