Ewiger Schnee und Dachstein.
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häufig, aber doch entwickelt sich keine dauernde Ansammlung; erst
auf dem ganz schmalen Gebiet zwischen 2500 m und 2600 m ist jede
geeignete Stelle mit Schnee bedeckt, der Raum ist aber zu beengt und
die Hänge zu steil, als dass sich ein Gletscher bilden könnte. Die
hierzu geeigneten Plateaustufen hingegen sind zu niedrig, und wir er
halten so einen unteren Grenzwert von nahezu 2500 m, als Gesamt
ergebnis also ungefähr 2500 m. (Wenn dieses Resultat zu niedrig er
scheint, dann prüfe man die Verhältnisse des Dachsteingebietes, und
man wird finden, dass der Bestand der dortigen Gletscher vollkommen
unerklärlich wird, sobald man eine höhere Schneelinie annimmt; siehe
unten den betreffenden Abschnitt.)
Es ist einleuchtend, dass alle Gletscher, und wären sie auch
kleinerer Art, zu der Berechnungsmethode, wie ich sie eben entwickelt
habe, ungeeignet sind, wenn sie eine Zunge besitzen. Zungen können
sich bei kleinen Gletschern nur in stärker geneigten Muldenformen
entwickeln. Diese Bodenform bringt ein Zusammentreffen der von den
Hängen absinkenden Schneemengen in der Tiefe der Mulde oder des
Kahres mit sich. Dort werden sie sich anhäufen und dadurch der
Abschmelzung eine geringere Fläche darbieten, dafür aber eine schnellere
Bewegung annehmen und in tiefere Regionen abfliessen. Das Ab-
schmelzungsgebiet wird somit in eine wesentlich tiefere Lage verlegt,
als es sich bei den Plateaugletschern befindet, und es ist nicht mehr
gestattet, die Schneegrenze nahe über dem Eisende zu vermuten.
Wo sie aber sonst verläuft, dafür haben wir dann keinen Anhaltspunkt
mehr, denn Gestalt und Länge der Zunge hängen ausschliesslich von
der Bodenform und den Grössenverhältnissen des Kahres ab.
Um sich über die Bedeutung., welche ein der Zungenbildung
günstiger Bau des Firnfeldes besitzt, klar zu werden, kenne ich kein
lehrreicheres Beispiel, als den Vergleich der Uebergossenen Alpe und
des Hallstädter Gletschers, auf welchen ich hiermit verweise. Mulden-
form des Firnfeldes und Zungenbildung verändern die relativen Grössen
von Sammel- und Schmelzgebiet gründlich; das Verhältnis dieser beiden
Räume wird ein gänzlich anderes. In dem angeführten Beispiel ergibt
sich, dass bei dem zungenlosen Plateaugletscher der Uebergossenen Alpe
der Raum unter 2500 m (der wahrscheinlichen Höhe der Schneelinie)
sich zu dem über 2500 m verhält wie 1:13; dieselben Räume unter
und über 2500 m verhalten sich aber am Hallstädter Gletscher wie
1:1,03, obwohl eine Verschiedenheit in der Höhe der klimatischen
Schneegrenze bei beiden nicht anzunehmen ist! (Siehe Karte 1.)
Man sieht hieraus wohl deutlich genug, wie vorsichtig man in
der Vergleichung von Gletschern sein muss, und welchen Täuschungen
uns das orographische Element aussetzt. Würde man z. B. als all
gemein gültigen Satz annehmen, dass das Verhältnis von Sammel- und
Schmelzgebiet 3:1 ist, und danach die Höhe der Schneegrenze be
stimmen, so käme man bei der Uebergossenen Alpe auf die Höhenlinie
von 2590 m, beim Hallstädter Gletscher aber auf 2369 m; denn bei
dem ersteren ist es jene Isohypse, bei dem zweiten diese, welche den
Gletscher im Verhältnis 1: 3 teilt. Würden die beiden Gletscher nicht
40, sondern 400 km voneinander entfernt sein, so wäre nichts nahe