Volltext: Die Gletscher der Ostalpen

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Es gibt keine Firnlinie. 
er auf benachbarten Geröllhängen u. dgl. bereits wieder abgetaut ist. 
Es herrschen also auf einem aus der Firnmulde abfliessenden Eisstrom 
thatsächlich günstigere Verhältnisse zur Erhaltung des Schnees, als z. B. 
unmittelbar unterhalb kleiner Firnansammlungen, die nur mit unbe 
deutenden Lappen über die Schneegrenze hinabreichen. Es wird also 
die Schneegrenze auf grossen Eisströmen Krümmungen nach abwärts 
erfahren, welche sich als eine lokale Eigenheit darstellen, ebenso wie 
anderswo eine Abwärtskrümmung infolge von Beschattung oder eine 
Aufwärtsbiegung durch besonders sonnige und windige Lage eintritt. 
Wenn aber Hugi behauptet, dass die Firnlinie leichter zu er 
kennen sei als die Schneelinie, und man auf den Gletschern über 
haupt die Grenzen des Sammelgebietes und Schmelzgebietes leicht 
erkennen könne, so glaube ich, dass er, sowie andere Forscher, einer 
Täuschung unterlegen ist. Wenn man im Sommer einen Thalgletscher 
von unten nach oben beschreitet, so bewegt man sich anfänglich natur- 
gemäss auf blankem, abschmelzendem Eise. Weiter aufwärts gelangt 
man auf Stellen, wo das Eis unter einer mehr oder weniger frischen 
Schneedecke verschwindet. Diese Uebergangsstelle'wird nun gewöhn 
lich als Firnlinie angesehen. Ein Beweis aber, dass thatsächlich hier 
die Grenze des Sammel- und Schmelzgebietes verlaufe, ist in dieser 
Schneebedeckung des Eises durchaus nicht gegeben. Denn gerade weil 
die sommerlichen Schneefälle auf den Gletschern sich länger erhalten, 
wird diese angebliche Firnlinie meistens nichts anderes sein, als die 
Höhe, bis zu welcher „sich die jüngste Schneedecke eben wieder zurück 
gezogen hat. 
Wenn der Sommer schneereich ist, und es vor nicht zu langer 
Zeit stärker geschneit hat, wird man regelmässig eine recht bestimmte 
Grenze zwischen verschneiten und schneefreien Gletscher finden. War 
aber im Gegenteile längere Zeit trockenes Wetter, so wird die Linie, 
wo das Eis unter Schnee verschwindet, viel schwerer findbar, ja man 
trifft sie vielleicht erst, wenn man die obersten flacheren Firnmulden 
erreicht hat, indem man immer wieder noch in sehr hohen Lagen auf 
ausgedehnte Flächen blanken Eises stösst. Bei solchem Zustande, wie 
er sich besonders in der jetzigen Periode' des Gletscherrückganges 
häufig eingestellt hat, ist von einer. Linie, welche zwei geschlossene 
Gebiete, das des Eises und das des Firnes, trennt, keine Bede mehr. 
„Das Eis aperfc aus,“ sagen die Bergbewohner, wenn man an den sonst 
weissen Gehängen immer grösser werdende grauliche Flecken schon 
aus der Ferne erblickt 2 ). An unzähligen Stellen, und zwar in Höhen, 
welche ganz zweifellos oberhalb der klimatischen Schneegrenze sich be 
finden, tritt aus dem Firn das blanke Firneis zu Tage. Besonders auf 
steiler geneigten Firnfeldern, auf welchen, den Unebenheiten des Unter 
grundes folgend, konkave und konvexe Formen abwechselri, indem sich 
hier ein von Spalten zerissener Abhang rundlich ausbaucht, während 
daneben thalartige Senkungen sich herabziehen, werden die konvexen 
Formen bis zu 3000 m und höher hinauf schneefrei, während die kon 
kaven die Firnoberfläche zeigen. 
0 Heim, S. 109.
	        
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