Südtiroler Hochland.
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Unterschied von etwa 100 bis 200 m zu herrschen pflegt, so könnten
wir uns berechtigt sehen, danach die Schneelinie auf der Nordseite
bei 2400 bis 2500 m zu vermuten und das Mittel für die ganze Gruppe
auf 2500 bis 2600 m anzusetzen. So würde ich auch rechnen und die
Rechnung für verlässlich halten, wenn wir es mit Gneis- oder Schiefer
bergen zu thun hätten. Wenn man sich aber auf die langen Lawinen
kegel besinnt, welche gerade am unteren Tosagletscher aus den engen
Wandklüften heraus wachsen und offenbar einen sehr beträchtlichen Teil
der Ernährung des Gletschers bestreiten, überhaupt den eigenartigen
Aufbau der Gruppe berücksichtigt, so wird doch grössere Vorsicht im
Schliessen ratsam sein.
Doch halte ich es für unmöglich, für die ganze Gruppe mit dem
Ansatz der Schneelinie höher als 2700. m hinaufzugehen, ja eine etwas
niedrigere Zahl wäre noch charakteristischer für die Verhältnisse. Der
Unterschied gegenüber den benachbarten Gruppen, besonders der Ortler-
gruppe, ist höchst auffallend. Es muss hier eine gewaltige Schneemenge
fallen.
2. Südtiroler Hochland.
Litteratur. Das grosse Werk von Mojsisovics: „Die Dolomitriffe etc.“ bringt
nichts über die gegenwärtigen Gletscher. Hingegen sind Erwähnungen ver
schiedener Eiskamine, Schneehalden und wirklicher Gletscher in der sehr
umfangreichen touristischen Litteratur häufig; doch fällt es nicht in den
Rahmen dieser Arbeit, diese vielen Aufsätze aufzuzählen, und ich verweise
auf das Inhaltsverzeichnis der Publikationen des D. u. Oe. AV. (München
1887) und die Oe. Alpenztg. Besonders zu erwähnen sind:
Merzbacher, Neue Touren in der Gruppe der Marmolata. Zsch. AV. 1880,
S. 301, und
Euringer, Die Palagruppe. Zsch. 1884, S. 275.
Dankenswert ist das Verzeichnis der Gletscher der Südalpen in Dieners
Libanon, S. 190.
An Karten konnte ich die O.A. kurze Zeit benutzen"; für den italienischen
Anteil haben wir noch nichts Neueres, als in der Sp.K. benutzt wurde.
Der Aufbau des Gebirges bringt es mit sich, dass grössere zu
sammenhängende Gletscherreviere sich hier nicht vorfinden, sondern
durchweg verstreute Einzelvorkommnisse, je nachdem dort und da einer
der vielen isolierten Stöcke die Schneeregion erreicht. Auch bewirken
die Schroffheit und wilde Zerklüftung derselben, dass die Gelegenheiten
zur Entstehung von Schluchtgletschern sehr reichlich sind. Alle
diese eiserfüllten Kamine, die dauernd mit Firn bedeckten Felsstufen,
die Eiswinkel und kleinen Lawinengletscher mit erschöpfender Voll
zähligkeit anzuführen, geht jedoch über mein Vermögen, um so mehr,
als mir hier die Autopsie nicht in dem Grade zur Seite steht, wie bei
den grossen Gletschergruppen der Zentralalpen. Ich habe daher im
allgemeinen das Prinzip verfolgt, nur solche Stellen anzuführen, deren
Eisbedeckung gross genug ist, um in der O.A. als deutlich bezeichnete
und messbare Fläche zu erscheinen.