Volltext: Die Gletscher der Ostalpen

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Oetzthaleralpen. 
fort und erreichte in mancher Woche mehr als 50 m 1 ). Am 27. Juni ? 
als eine Kommission „den Augenschein“ aufnahm, hatte sich das zer 
klüftete Gletscherende dem Rofenthal so sehr genähert, dass einzelne 
Eistrümmer in dasselbe hinabzustürzen anfingen. Das Gletscherende 
selbst war noch 500 m von der Zwerchwand entfernt, hatte eine Breite 
von 340 und eine Dicke von 60 bis 80 m. Bis Ende August war der 
Rest des Vernagtthales ausgefüllt, das Rofenthal überschritten und das 
Eis legte sich an die gegenüberstehende Zwerch wand, so dass am 
letzten August die Masse 40 m hoch und 260 m breit war. Doch floss 
der Rofenbach noch immer unter dem Eise durch, bis sich anfangs 
-Oktober der Auslauf verlegte (zufror) und- die Bildung des Sees be 
gann, der bereits am 27. Oktober 400 m lang und 24 m tief war. 
Im August des Jahres 1772 fand Walcher den Eiswall 600 m 
breit und 120 m hoch, drei Wochen später aber in der Richtung gegen 
das Rofenthal, also tlialabwärts, um 34 m vorgerückt. Die Dimensionen 
des Sees wurden am 16. August geschätzt: Länge 1400 m (!), Breite 
300 m, Tiefe 60 m, also etwa die Hälfte der Höhe des Eisdammes. 
Die Bewegung des noch immer gewaltig zerklüfteten Ferners dauerte 
fort. Um Weihnachten entleerte sich der See, aber ohne Schaden 
anzurichten. — Weitere Nachrichten fehlen, woraus zu ersehen ist, 
dass die Bewegung des Gletschers zum Stillstand kam und der Abfluss 
der Gewässer ohne Zerstörungen vor sich ging. 
Im Jahre 1820 erfolgte abermals eine Vorrückung; wie es heisst, 
ging dieselbe aber nur vom nördlichen Arm, dem eigentlichen Vernagt, 
aus. Da nach der schon von Walcher als alte Volksmeinung aufge 
führten Ansicht derartige einseitige Vergrösserungen ungefährlich 
bleiben, besorgte man auch diesmal keine Absperrung des Rofenthales, 
und obwohl sich das Gletscherende demselben bereits genähert hatte, 
kam es auch nicht dazu. Die Eismasse blieb niedrig und schmal, und 
schon 1822 begann der entschiedene Rückzug * 2 ). 
Durch eine Stelle in Schlagint weit (Untersuchungen S. 598) auf 
merksam gemacht, erfuhr ich von Herrn k. k. Oberstlieutenant von 
Haradauer, Vorstand des Kartenarchivs im k. k. Reichskriegsmini 
sterium, dass der nachmals so berühmte Kartograph, Feldzeugmeister 
von Hauslab, im Jahre 1817 als Fähnrich bei der damaligen Auf 
nahme von Tirol gerade die Gegend des Vernagtgletschers zu zeichnen 
hatte, und erhielt durch die Güte des genannten Herrn auch eine Kopie 
der betreffenden Aufnahmssektion. Da anzunehmen ist, dass ein Mann 
wie Hauslab auch schon in der Jugend die ihm gestellten kartographi 
schen Aufgaben mit besonderer Sorgfalt gelöst haben wird, so darf 
man diese Aufnahme wohl zu Schlüssen über den damaligen Gletscher 
stand verwerten. Auch ist das Jahr 1817, als nahe dem Beginn der 
eben erwähnten Vorstossperiode fallend, besonders interessant. 
9 Selbstverständlicherweise sind die alten Massangaben nicht in Metern, 
sondern in Klaftern, die ich wohl = 2 m annehmen darf, da es sich ja nur um 
abgerundete und geschätzte Zahlen handelt. 
2 ) Sonklar erwähnt mit Berufung auf die Schrift des Benedikt Kuen einen 
ähnlichen schwachen Ausbruch zum Jahr 1626; Senn behauptet, in der erwähnten 
Schrift stehe nichts davon; thatsächlich wissen auch Walcher und Stotter nichts.
	        
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