Volltext: 1. Band (A - J) (1. Band / 1935)

III 
Vorwort. 
Schon im Jahre 1874 hatte der heimatliche Topograph Johann 
Lamprecht eine „Große Matrikel des Landes ob der Enns mit ur 
kundlichem Nachweis sämtlicher Ortsnamen von Oberösterreich“ ge 
schaffen, die jetzt das Landesarchiv verwahrt. Sie verzeichnet über 10.000 
Ortsbenennungen mit den ältesten urkundlichen Belegen. So wertvoll nun 
dieses Werk für die Zeit vor 60 Jahren war, so könnte es doch, wenn es 
veröffentlicht würde, den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen, wie 
ein Vergleich mit den Historischen Ortsnamen-Lexika z. B. Badens und 
Hessens oder dem Ortsnamenbuche der Steiermark von Josef v. Zahn 
sofort erkennen läßt. Das Material ist ja seitdem viel umfangreicher und 
die Art der Verarbeitung eine andere geworden. Es erschien mir schon 
vor vierzig Jahren als eine der dringendsten Aufgaben, ein Historisches 
Ortsnamen-Lexikon unseres Landes auf neuer Grundlage in Angriff zu 
nehmen, und als ich im Jahre 1902 von der Akademie der Wissenschaften 
in Wien mit der Bearbeitung der mittelalterlichen Stiftsurbare des 
Landes ob der Enns betraut wurde, faßte ich den Entschluß, auf dem 
für das Ortsregister gewonnenen Grundstöcke weiterzubauen, um das 
mir längst vorschwebende Ziel zu erreichen. 
Die bei der Arbeit an den Urbaren gemachten Erfahrungen hatten 
mich gelehrt, daß gerade diese Quellen in weitestem Umfange heranzu 
ziehen seien, einmal weil sie in den vielen Fällen, wo die Urkunden ver 
sagen, als Ersatz eintreten und in anderen, wo sich die urkundlichen Be 
lege nicht mit voller Sicherheit auf eine bestimmte Örtlichkeit beziehen 
lassen, die Identifizierung nur mit ihrer Hilfe möglich ist. 
Leider sind die mittelalterlichen Urbare der weltlichen Grundherr 
schaften verhältnismäßig gering an Zahl und so mußte meist mit jün 
geren vorlieb genommen werden. Das war aber in anderer Hinsicht ein 
Vorteil, indem sich herausstellte, daß nicht selten spätere Quellen dieser 
Art die Namen in ursprünglicherer Form bewahrt haben als selbst die 
Urkunden und so erst ihre Erklärung möglich geworden ist. 
Ein weiterer Gewinn dieser umfassenden Heranziehung der urbaria- 
len Quellen war die dadurch erreichte Möglichkeit, nicht nur die wech 
selnden Besitzverhältnisse zu beobachten, sondern auch die lautliche 
Entwicklung der Namen bis weit herab in die neuere Zeit und oft sogar 
bis zur heutigen Form auf ihren einzelnen Stufen zu verfolgen, denn 
neben dem historischen soll das Lexikon auch dem sprachgeschichtlichen 
Interesse dienen. Dabei verleiht der Umstand, daß die urbarialen Behelfe 
der landsässigen Grundherrschaften von einheimischen Leuten abgefaßt
	        
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