v- M«.'.- /
17 —
Waren die Römer in der Erwerbung, oder besser ge¬
sagt, Eroberung nener Länder wenig wählerisch und keines¬
falls rücksichtsvoll, so verstanden sie es doch, die unter¬
worfenen Völker aller Rassen so zu behandeln, daß sie nicht
deren Unmut oder allgemeine Ausstände hervorriefen. Wenn
die eingewanderten Römer auch überall als die Herren auf¬
traten, die Unterworfenen als Untergeordnete und Minder¬
wertige betrachteten und ihnen die schwereren Arbeiten in
Metall- und Salzbergwerken, Ackerbau u. s. w. zuwiesen, so
schonten sie doch Sitten, Gebräuche und Sprache der Ein¬
heimischen.
Für die innere Verwaltung ließen sie die altheimische
Gauverfassung bestehen; jeder Gau wurde einer Stadt zur
Verwaltung zugeteilt; so war beispielsweise das ganze
heutige Öberösterreich der Stadt Ovilava (Wels) zugeordnet.
Unter der römischen Herrschaft gelangte das Norikum
zu nicht geringer Blüte. Leistungsfähige Gewerbestätten ent¬
standen, Handel, Viehzucht und Landwirtschaft gediehen und
die Kunst erhielt Anregung und Förderung aus dem
alten Römerreiche.
Aus letzterem hatten sich viele römische Familien in
verschiedenen hohen und niederen Zivil- und Militärstellungen
im Norikum angesiedelt und so sich teilweise mit der ein¬
heimischen Bevölkerung vermischt, Grundbesitz erworben und
oft künstlerisch ausgestattete Wohnstätten erbaut.
Von diesen Ansiedlungen sind uns, wenn auch keine
aufragenden Bauten, doch noch manche wertvolle Reste ver¬
blieben ; so auch in unserer Gegend; bei Munderfing wurde
eine römische Villa und bei Mattighofen ein römischer Be¬
gräbnisplatz, in Schälchen der Leichenstein eines römischen
Ehepaares, in Lochen römische Münzen aufgegraben.
v. Die Völkerwanderung. Eine Umwälzung von einer
Größe, Kraft und Dauer, wie die Welt sie im Leben der
Völker bislang noch nicht gesehen hat, erschütterte vom
4. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung an ganz Europa in
seinen Grundfesten. Sie fegte das weströmische Reich hin¬
weg, bedeckte mit dessen Trümmern den Erdteil und Pflanzte
über den Ruinen die germanische Weltordnung auf und das Kreuz.
Man nennt diese ungeheure, durch zwei Jahrhunderte
andauernde Woge die Völkerwanderung; sie kam erst
unter Karl dem Großen so recht zum Stillstände.