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fett deö Landrichters als Ktmstbeamten der 1. In
stanz der Sladtrat bezw. der Hofmarksherr und
dessen Beamte, ohne daß damit am Entscheidungs
recht deö Geistlichen Rats sich, ebensowenig als bei
den Klöstern, etwas geändert hatte.
Die im Geistlichen Rat vereinigte zentrale Kunstver
waltung deö Staates hatte allerdings auch noch nach
einer anderen Seite entwicklungsgeschichtlich die größte
Bedeutung für die Heimatgeschichte. Die Voraus-
setztmg alles Kunstlebens ist allzeit das Vorhanden
sein der notwendigen Geldmittel. Solange die Kirchen-
fabrik (Vermögen für Bauzwecke) vom Pfarrer unter
Aufsicht deö Bischofs allein verwaltet wurde, gab
es eine künstlerische Tätigkeit nur dann, wenn die
Fabrikskaste genügend Geld hatte. Die Kunstblüte
der Spätgotik und des Barock, wo nur aus einer
tief in derVolksseele wurzelnden Schmuckfreude heraus,
ganz gleich ob Geld in der Kirchenkaste vorhanden
war oder nicht, fast jedes kleinste Dorfkirchlein seinen
neuen Altarschmuck erhielt, wo die prächtigen Kloster
kirchen überall inr Lande fast aus dem Boden wuch
sen, wäre undenkbar gewesen, wenn in der Institution
deö Geistlichen Rates nicht eine fast unversiegbare
Geldquelle für die Befriedigung solcher künstlerischer
Gelüste bestanden hätte. Der Geistliche Rat, eine
meist auS Geistlichen besetzte kollegiale Behörde, war
der zentrale Verwalter deö gesäurten Kirchenfabriks
vermögens des Landes. War für eine künstlerische
Unternehmung Geld nötig — und der Geistliche Rat
hatte für den Gedanken der Erbauung deö gläubigen
Volks durch Leistungen der Kunst stets einen offenen
Sinn und offene Taschen — so trat der Geistliche
Rat in Aktion. War in der Kirchenkaste Geld vor
handen, so zögerte der Geistliche Rat meist nicht lange
mit der Genehmigung der geplanten künstlerischen
Unternehmung, ja in solchen Fällen konzedierte man
sogar dein Pfarrherrn eine gewisse Freiheit bei der
Wahl der Künstler und Kunsthandwerker und sogar
die Ausländerbestimmungen wurden milder gehand-
habt. Aber die Regel war meist, daß kein Geld
oder nicht genügend Geld vorhanden war und
dann schuf eö der Geistliche Rat herbei. Bei ganz
großen cind wichtigen Kunstunternehmungen schrieb
der Geistliche Rat das „Oonum gratuitum" aus,
d. h. jede Kirche des ganzen Bayernlandes oder jede
Kirche eines bestimmten Rentamtes hatte je nach
Vermöglichkeit 1 Gulden, 2 Gulden und auch mehr
zu denr bestinunten Zwecke herzuschenken. Als zum
* Beispiel am 26. Mai 1745 der Turm und der Dach-
stuhl der Braunauer Stadtpfarrkirche durch Blitz
schlagein Raub der Flammen wurden und ein Schaden
von ungefähr 30 000 fl entstanden war, da ordnete
der Geistliche Rat an, daß alle in Stadt, Märkten
und Hofmarken gelegenen Gotteshäuser die vermög-
lichen 3, die mitteren 2 und die mindest bemittelten
1 Gulden als clonum gratutium einzuschicken haben.
Die Erträgnisse solcher clona gratuita waren aber
meist nicht allzu reich, so erhielt auch Braunau da
mals nur ganze 1298 fl 15 kr, daher war der siche
rere Weg die Ausschreibung der Iwangsanleihe
durch den Geistlichen Rat, d. h. es wurde den Gottes
häusern eines bestimmten Landgerichtsbezirkö oder
mehrer Bezirke, auch manchmal eines oder mehrerer
Rentämter die Aufbringung einer bestimmten Geld
summe zu einem bestimmten Zwecke in Gestalt von
rückzahlbaren,jedoch unverzinslichen, von den einzelnen
Gotteshäusern des Landgerichts vorzustreckenden Dar
lehen aufgetragen. Der Landrichter hatte die
Aufteilung vorzunehmen und eventuell die Gelder
solcher Iwangtzanleihen exekutiv einzutreiben. Daö
ergab natürlich nach Umständen Riesensummen und
bildete ein Fundament für eine so grandiose Kunst
tätigkeit, wie sie uns heute kaum mehr verständlich
erscheint. Es läßt uns aber auch die Kunstschätze des
Bayernlandeö mit ganz anderen Augen noch ansehen,
denn daö waren so recht Gemeinsamkeitsleistungen
des ganzen Volks, bei denen der Urväter Kreuzer auch
aus stillen entlegenen Bauerndörfern mit hineinge
baut wurden und das Erbe eines ganzen Volkes
schufen, das von keiner Inflation zerstört wurde.
Wenn wir die Kirchenrechnungen der Landgerichte
Ried und Braunau durchblättern, dann sehen wir
wieviel Innviertler Bauerngeld bei den großen Krump-
ners chen Kirchenbauten in Lechhausen und St. P e t e r
in München mitverbaut wurde zu Ehren Gottes
und des ganzen Bayernlandö. Im P a s s a u e r Dom
bau stecken gewaltige Summen Schärdinger Leih
geldes, im Jahre 1681 hatten die Gottshäuser des
Landgerichts Schärding 10 000 fl, verteilt auf 10 Jahre,
zur Auferbauung der abgebrannten Canvnieathöfe
in Passau beizutragen; zur Wiedererbauung der
Pfarrkirche in Regen hatten die Schärdinger Gottes
häuser 1646 achthundert Gulden zu leisten und im
gleichen Jahr dem abgebrannten Liebfrauengottshaus
in Grafenau 600 fl vorzustrecken; zur Auferbau
ung des abgebrannten Margaretengottshauses in
Schönberg schössen die Schärdinger Gottshäuser
anno 1668 siebenhundert Gulden vor, 1641 gestattete