bleiben, unentbehrliche heimatkundliche K u n ft=
geschichtswissenschaft herausbilden müssen,
von der eben erst die Anfänge vorhanden sind.
Immerhin läßt uns zu den genannten, noch meist
unbekannten, 30 000 Künstler- und Kunsthandwerker
namen die im Zusammenhang mit der so verdienst
voll rasch fortschreitenden Kunstdenkmäler-Jnventari-
sation Bayerns und der begonnenen Inventarisation
des jetzt oberösterreichischen Jnnviertels durch
geführte Archivforschung auch heute schon die
gewünschten, für alle weiteren Forschungen unerläß
lichen Entwicklungsgesetze deS kurbayri
schen K u n st l e b e n S erkennen.
Wir stellen als die Leitlinie aller Kunsttätigkeit daS
territoriale Entwicklungsgesetz fest. So
lange der Pfarrherr allein daö Kirchenvermögen ver
waltete und nur dem Bischof darin unterstand, war
er in der Wahl der Künstler und Kunsthandwerker
fast frei, er konnte sie nach seinem Geschmack so
weit herholen, als er wollte. Solange die Stadtgrün
dungen nicht den Nährboden für die Existenz eines
bodenständig seßhaften Handwerkerstandes schufen,
saßen die kunstkundigen Werkleute ja meist in den
Klosterwerkstätten. Es ist kein Zufall, daß die
Herausbildung einer deutlich unter
scheidbaren nationalen Eigenart in der
bildenden Kunst mit denr Zeitalter der
Städtegründungen, mit der Entwicklung einer
bodenständigen, von Vater aus Sohn vererbbaren,
von Gesellen, von Zunft- und Hüttenmitgliedern in
ihrer jeweils typischen lokalen Eigenart forterhaltenen
Werkkunst, zusammenfiel. Mit der Entwicklung
der nationalen Eigenart in der bildenden Kunst be
ginnt das territoriale Entwicklungsgesetz in Erscheinung
zu treten, oder richtiger gesagt, die nationale Eigenart
beginnt sich aus dem territorialen Entwicklungsgesetz
herauszubilden. Für die Erkenntnis dieses allmäh
lichen Entwicklungsgangs fehlt es uns zunächst an
den historischen Vorarbeiten. Wenn wir mit dem
Landgebot Albrechts IV. vom Jahr 1488 das Ober
aufsichtsrecht des Landesherrn über daö Kirchenver-
nrögen in Bayern bereits kodifiziert finden, so dürfen
wir annehmen, daß die Entwicklung dieses Oberauf-
sichtörechtes sehr viel weiter zurückreicht, wie z. B.
zweifellos beim Bau der Landöhuter Martinskirche am
Ende des 14. Jahrhunderts der Herzog bereits ein Be-
ftimmungsrecht in der Bauführung übt. Da im allge-
meinen die Kirchenarbeiten gut 90 Prozent aller den
Werkineistern zufallenden künstlerischen und kunsthand-
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werklichen Aufträge ausmachte, so ist die Entwick
lung der staatlichen Kirchenoberaufsicht für unsere
Untersuchungen von umso größerer Bedeutung als
danüt der Staat zur obersten Kunstbehörde wurde,
die die Grundlagen für die Entwicklung des Kunst
lebens, daö sich nach territorialen Entwicklungsge
setzen abspielte und fortentwickelte, gesetzlich festlegte.
Die dem Kurfürsten zustehenden Rechte der obersten
Kunstaussicht als Ausfluß seiner Kirchenhoheitsrechte
übte der „Geistliche Rat", der Nachfolger der
1523 eingesetzten Kirchenvisitationökommission und
Vorläufer des heutigen Ministeriums für Kultus
und Unterricht. Der Geistliche Rat entschied alle
Kunstfragen in erster und letzter Instanz; er selbst
präzisierte seine Pienipotenz in einer Belehrung an
die Regierung in Burghausen 1721*) dahin, daß
ihm allein „die Oberinspektion der Gotteshäuser und
was hievon dependieret zu besorgen obliegt, mithin
jedem Beamten (sc. der 1. Instanz: Landrichter bezw.
Pflegrichter) und Handwerksmann freistehet, wenn
er sich gleich allda anmelden will, wie auch der Bau
akt des Gotteshauses Floffing und andere dergleichen
Exemplaria zeigen, daß die Handwerköleute vom
Geistlichen Rat angenommen und bestellt worden
seien". Die dem Geistlichen Rat unterstehende Re
gierung hatte in Bau- und Kunstsachen kein
Dezernierungsrecht, sondern war nur begutach
tende Behörde. Der Geistliche Rat ermangelte
meist nicht, „wenn es nötig, vor abfassender Reso
lution die Regierung zu vernehmen". Die Regierung
verfügte zwar wiederholt die Anstellung von Meistern
„ohne all weitere Anfrag" beim Geistlichen Rat, doch
der Geistliche Rat verfehlte nicht solche Übergriffe schärs-
stens zu rügen und sein alleiniges Entscheidungsrecht
stets zu wahren'). DieBorarbeiten für dieEntscheidungen
des Geistlichen Rats besorgte jedoch nicht die Regierung
als begutachtende Behörde der zweiten Instanz, sondern
der Lan d- o d er Pflegrichter, der alö der Vor
stand des Kunstdepartements erster Instanz initiativ
für alle Baufälle seines Bezirks vorzusorgen hatte.
Im Zusammenhang mit der Funktion des Land
richters als Denkmalöpflegebeamten gelangte das
territoriale Entwicklungsgesetz im bayrischen Kunst
leben zur ausschlaggebenden Bedeutung. Der Staat
hatte nämlich nicht bloß aus fiskalischen Erwägungen
größtes Interesse, tüchtige, steuerkräftige Künstler in
den verschiedenen Landgerichtsstädten zu wissen, son-
dern der Landrichter als der staatliche Kunstbeamte
fl A. M. I. V. 106/4 fol. 383/434.
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