Volltext: Vom Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin bis zum Bekanntwerden der russischen allgemeinen Mobilmachung (2 / 1919)

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also den Krieg mit uns. Gegen Deutschland versichert Rußland, 
nichts unternehmen zu wollen, es weiß aber ganz genau, daß 
Deutschland einem kriegerischen Zusammenstoß zwischen seinem 
Bundesgenossen und Rußland nicht untätig zusehen kann. Auch 
Deutschland wird gezwungen werden, mobil zu machen, und wieder¬ 
um wird Rußland der Welt gegenüber sagen können: »Ich habe den 
Krieg nicht gewollt, aber Deutschland hat ihn herbeigeführt.« So 
werden und müssen die Dinge sich entwickeln, wenn nicht, fast 
möchte man sagen, ein Wunder geschieht, um noch in letzter 
Stunde einen Krieg zu verhindern, der die Kultur fast des gesamten 
Europas auf Jahrzehnte hinaus vernichten wird. 
Deutschland will diesen schrecklichen Krieg nicht herbei¬ 
führen. Die deutsche Regierung weiß aber, daß es die tiefge- 
wurzelten Gefühle der Bundestreue, eines der schönsten Züge deut¬ 
schen Gemütslebens, in verhängnisvoller Weise verletzen und sich 
in Widerspruch mit allen Empfindungen ihres Volkes setzen würde, 
wenn sie ihrem Bundesgenossen in einem Augenblick nicht zu Hilfe 
kommen wollte, der über dessen Existenz entscheiden muß. 
Nach den vorliegenden Nachrichten scheint auch Frankreich 
vorbereitende Maßnahmen für eine eventuelle spätere Mobilmachung 
zu treffen. Es ist augenscheinlich, daß Rußland und Frankreich 
in ihren Maßnahmen Hand in Hand gehen. 
Deutschland wird also, wenn der Zusammenstoß zwischen 
Österreich und Rußland unvermeidlich ist, mobil machen und bereit 
sein, den Kampf nach zwei Fronten aufzunehmen. 
Für die eintretendenfalls von uns beabsichtigten militärischen 
Maßnahmen ist es von größter Wichtigkeit, möglichst bald Klarheit 
darüber zu erhalten, ob Rußland und Frankreich gewillt sind, es 
auf einen Krieg mit Deutschland ankommen zu lassen. Je weiter 
die Vorbereitungen unserer Nachbarn fortschreiten, um so schneller 
werden sie ihre Mobilmachung beendigen können. Die militärische 
Lage wird dadurch für uns von Tag zu Tag ungünstiger und kann, 
wenn unsere voraussichtlichen Gegner sich weiter in aller Ruhe 
vorbereiten, zu verhängnisvollen Folgen für uns führen. 
Nr. 350 
Der Botschafter in Paris an den Reichskanzler1 
Paris, den 28. Juli 19141 2 
Im Laufe einer Unterredung mit dem stellvertretenden Minister 
des Äußern habe ich einfließen lassen, es sei befremdend, daß der Ge 
1 Nach der Ausfertigung. 
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli nachm. 
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