Volltext: Vom Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin bis zum Bekanntwerden der russischen allgemeinen Mobilmachung (2 / 1919)

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Nr. 339 
Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler1 
St. Petersburg, den 27. Juli 19141 2 
Auf dringenden Wunsch des Militärattaches, 
Majors von Eggeling, welcher ausführliche Meldungen 
über die militärische Lage möglichst bald nach Berlin 
gelangen lassen möchte, schicke ich heute abend den 
Feldjäger an die Grenze mit der Weisung, sofort 
hierher zurückzukehren. 
Da mir bis zum Schluß der Expedition nur 
wenig freie Zeit übrig bleibt, muß ich mich darauf 
beschränken, Ew. Exz. kurz über die hiesige Situation 
und Stimmung zu berichten. 
Seit gestern ist in der Haltung des Herrn 
Sasonow eine ganz auffallende Änderung eingetreten, 
die auch von meinen Kollegen konstatiert wird. Die 
Erklärung, daß Österreich-Ungarn keine territorialen 
Erwerbungen beabsichtigt und unsere entschiedene 
Zurückweisung der Insinuation, als hätten wir in 
der Absicht, einen Konflikt heraufzubeschwören, 
Österreich-Ungarn angestiftet, hat hier eine sicht- 
dann muß die Mobil- liehe Beruhigung' hervorgerufen. 
machung eingestellt Ebenso atmet man erleichtert auf, daß bereits 
werden. beinahe 48 Stunden vergangen sind, seitdem die un¬ 
befriedigende Antwort Serbiens an Österreich-Ungarn 
erfolgte, ohne daß man von einem Einrücken Öster¬ 
reichs in Serbien gehört hat. Man hatte hier offen¬ 
bar bestimmt damit gerechnet, daß eine Weigerung 
Serbiens, die Forderungen Österreichs zu erfüllen, den 
unmittelbaren Ausbruch der Feindseligkeiten zur 
Folge haben werde. 
Herr Sasonow ist jetzt sichtlich bemüht, einen 
Ausweg zu finden. Er erkennt neuerdings sogar die 
Berechtigung des österreichischen Vorgehens gegen 
Serbien im Prinzip an, gibt sich aber immer noch 
1 Nach der Ausfertigung. 
2 Abgegangen am 27. Juli, Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli. 
Am 30. Juli an den Kaiser gesandt, der durch Randverfügung Mitteilung nach 
Wien, London und Paris anordnete, die indessen unterblieben ist; vom 
Kaiser am 31. Juli ins Amt zurückgelangt.
	        
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