Volltext: Vom Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin bis zum Bekanntwerden der russischen allgemeinen Mobilmachung (2 / 1919)

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Nr. 293 
Der Kaiser an den Staatssekretär des Auswärtigen1 
Neues Palais, 28. VIL 14 10 Uhr V. M.1 2 
Ew. Exzellenz 
Nach Durchlesung der Serbischen Antwort, die ich heute 
Morgen erhielt, bin ich der Überzeugung, daß im Großen und 
Ganzen die Wünsche der Donaumonarchie erfüllt sind. Die paar 
Reserven, welche Serbien zu einzelnen Punkten macht, können 
M. Er. nach durch Verhandlungen wohl geklärt werden. Aber die 
Kapitulation demüthigster Art liegt darin orbi et urbi verkündet, 
und durch sie entfällt jeder Grund zum Kriege. 
Dennoch ist dem Stück Papier, wie seinem Inhalt nur be¬ 
schränkter Werth beizumessen, solange er nicht in die T h a t umge¬ 
setzt wird. Die Serben sind Orientalen, daher verlogen, falsch und 
Meister im Verschleppen. Damit diese Schönen Versprechungen 
Wahrheit und Thatsache werden, muß eine douce violence geübt 
werden. Das würde dergestalt zu machen sein, daß Österreich ein 
Faustpfand (Belgrad) für die Erzwingung und Durchführung 
der Versprechungen, besetzte und solange behielte bis that- 
sächlich die petita durchgeführt sind. Das ist auch nothwen- 
dig um der zum 3ten Male umsonst mobilisierten Armee eine 
äußere satisfaction d’honneur zu geben den Schein eines Erfolges 
dem Ausland gegenüber, und das Bewußtsein wenigstens auf frem¬ 
dem Boden gestanden zu haben ihr zu ermöglichen. Ohne dem 
dürfte bei Unterbleiben eines Feldzuges eine sehr üble Stimmung* 
gegen die Dynastie aufkommen die höchst bedenklich wäre. Falls 
Ew. Exz. diese meine Auffassung theilen, so würde Ich Vor¬ 
schlägen: Österreich zu sagen: Der Rückzug Serbiens in sehr 
demüthigender Form sei erzwungen, und man gratuliere dazu. 
Natürlich sei damit ein Kriegs grund nicht mehr vor¬ 
handen. Wohl aber eine Garantie nöthig, daß die Ver¬ 
sprechungen ausgeführt würden. Das würde durch die mili¬ 
tärische vorübergehende Besetzung eines Theils von Serbien 
wohl erreichbar sein. Ähnlich wie wir 1871 in Frankreich Truppen 
stehen ließen bis die Milliarden gezahlt waren. Auf dieser 
Basis bin Ich bereit, den Frieden in Österreich zu vermit¬ 
teln. Dagegenlaufende Vorschläge oder Proteste anderer Staaten 
würde ich unbedingt abweisen, umsomehr als alle mehr oder weni¬ 
ger offen an Mich appellieren den Frieden erhalten zu helfen. Das 
werde ich thun auf Meine Manier, und so schonend für das öster- 
1 Nach dem bei den Akten befindlichen Originalhandschreiben des Kaisers. 
Vgl. dazu die Randbemerkung zur serbischen Antwortnote Nr. 271. 
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli nachm.
	        
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