Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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Nr. 14a 
Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler1 
Wien, den 4. Juli 19142 
Obgleich sich das hiesige Ministerium des Äußern ernstlich be¬ 
müht, auf die Presse beruhigend einzuwirken und sie von allzu 
scharfen Artikeln abzuhalten, kommt die Erregung, die das ver¬ 
hängnisvolle Attentat auf den Erzherzog Thronfolger und die Her¬ 
zogin von Hohenberg zur Folge gehabt hat, immer mehr zum Durch¬ 
bruch. 
Die Presse weist darauf hin, daß die Fäden der Verschwörung 
unzweifelhaft in Belgrad zusammenliefen, und daß den vom König¬ 
reich Serbien aus geschürten großserbischen Umtrieben in den süd¬ 
lichen Gebieten der Monarchie unbedingt ein Ende gemacht werden 
müsse. Die Sprache der serbischen Presse hat nicht dazu beigetra¬ 
gen, die öffentliche Meinung hier zu beruhigen. Man findet in ihr 
trotz aller offiziellen Versicherungen, daß man in Serbien das Atten¬ 
tat außerordentlich bedauere, weil es die Beziehungen zur Monarchie 
vergifte, eine Art Zynismus zwischen den Zeilen. 
Die Bemerkung der offiziösen »Samouprawa«, daß das Sara- 
jevoer Ereignis nicht gewaltsam zu einem Streitobjekt zwischen Bel¬ 
grad und Österreich-Ungarn gemacht we;den könne, weil über das 
Ereignis auch die übrige zivilisierte Welt urteilen werde, und daß 
diesem Urteil weder Serbien noch Österreich-Ungarn sich würden 
entziehen können, beantwortet heute das »Deutsche Volksblatt«, 
indem es bemerkt: »Wenn die serbische Presse glaubt, an die ge¬ 
samte europäische Öffentlichkeit als Richter zwischen uns und Ser¬ 
bien apellieren zu müssen, so soll man sich in Belgrad gesagt sein 
lassen, daß wir die Ergebnisse, die die in Sarajevo geführte Unter¬ 
suchung ergeben wird, als eine Angelegenheit betrachten, die lediglich 
zwischen uns und Serbien zu erled gen sein wird. Wir gestehen 
niemand das Recht einer Einmischung in dieser Sache zu, und wir 
werden sie so erledigen, wie die Ehre und die Lebensinteressen der 
Monarchie es von uns verlangen.« 
Ich möchte nicht verfehlen, darauf aufmerksam zu machen, daß 
ein Artikel wie der der Frankfurter Zeitung vom 3. d. M. (Nr. 182) 
über das Attentat in Sarajevo und die durch dasselbe hervorgerufene 
Spannung zwischen der Monarchie und Serbien hier leicht falsch 
aufvgefaßt werden könnte. Die in dem Artikel enthaltenen, an sich 
sehr beherzigenswerten Ratschläge zur Ruhe und Besonnenheit werden 
in der öffentlichen Meinung hier vorläufig wenig Verständnis finden. 
1 Nach der Ausfertigung. 
ä Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 5. Juli nachm. 
Aktenstücke I. 
5
	        
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