Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

Nr. 180 
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Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1 
Telegramm 154 London, den 25. Juli 19141 2 
Habe soeben Sir E. Grey gesehen und Inhalt Telegramms 
Nr. 1698 verwertet. Der Minister nahm meine Erklärungen mit 
vollem Verständnis für unseren Standpunkt entgegen. Ohne jede 
Gereiztheit oder Verstimmung und mit großer Ruhe besprach er 
mit mir4 * abermals die gesamte Lage und schien wieder hoffnungs¬ 
voller zu sein als gestern, da Graf Mensdorff ihm im Aufträge 
seiner Regierung mitgeteilt hat, daß Österreich nach Ablehnung 
seiner Forderungen zunächst nicht beabsichtige, die serbische 
Grenze zu überschreiten, sondern nur zu mobilisieren. Sir E. Grey 
ist vorläufig noch ohne Nachricht über die in Petersburg gefaßten 
Beschlüsse, rechnet aber mit Bestimmtheit darauf, daß der öster¬ 
reichischen Mobilisierung die russische folgen werde. Alsdann sei 
seiner Ansicht nach der Augenblick gekommen, um im Verein mit 
uns, Frankreich und Italien eine Vermittelung zwischen Öster¬ 
reich und Rußland eintreten zu lassen. Ohne unsere Mitwirkung, 
meinte er, sei jede Vermittelung aussichtslos, und könne er allein 
nicht an Russen und Österreicher herantreten. Ob Frankreich mit¬ 
machen wolle, wisse er noch nicht. Er habe mit Herrn Gamben 
gesprochen, aber noch keine Antwort erhalten, und ihm dabei ge¬ 
sagt, daß er mir den gleichen Vorschlag gemacht habe. Er rechnet 
bestimmt auf die Zusage Frankreichs, obwohl er nicht weiß, wie 
weit dieses schon mit Petersburg verpflichtet ist. 
Der Minister unterscheidet scharf, wie er mir wiederholte, 
zwischen dem österreichisch-serbischen und österreichisch-russi¬ 
schen Streit. In ersteren wolle er sich nicht mischen, da er ihn 
nichts angehe. Der österreichisch-russische Streit aber bedeute 
unter Umständen den Weltkrieg, den wir im vorigen Jahre durch 
die Botschafterkonferenzen gemeinsam hätten verhindern wollen. 
Europäische Verwickelungen aber seien auch für Großbritannien 
nicht gleichgültig, obwohl es durch keinerlei bindende 
Abmachungen verpflichtet wäre. 
1 Nach der Entzifferung. 
2 Aufgegeben in London 22 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 
552 nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. 
8 Siehe Nr. 153. 
4 Das Gespräch ist inhaltlich auch niedergelegt in einer Verbalnote, die der 
englische Geschäftsträger Sir H. Rumbold .am 25..JUH auf Grund eines 
Telegramms Sir E. Greys im Auswärtigen Amt überreichte; vgl. auch das 
englische Blaubuch von 1914, Nr. n, 
Aktenstücke I. 15
	        
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