Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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genden Ziele auseinander setzt und es auf seiner Seite zu halten 
sucht. Berchtold entwickelte einen großen Optimismus und meinte, 
so niederträchtig könnte doch Italien als Bundesgenosse nicht sein 
und sich gegen die Monarchie wenden. Ich habe ihm darauf er¬ 
widert, daß bei einem vorläufigen Konflikt mit Serbien allein das 
Bündnis nicht in Frage komme und Italien sich sehr wohl, wenn 
auch vielleicht nur moralisch, auf Se. biens Seite stellen könnte, daß 
aber dies schon für die Festigkeit des Dreibundes verhängnisvoll 
werd- n könnte und zweifellos die Aktionslust Rußlands stärken würde. 
Dies leuchtete dem Minister entschieden ein, doch kam er von sich 
aus nicht auf etwaige Kompensationen zu sprechen; auch auf die 
von dem hinzugezogenen Hoyos getane Äußerung, man müsse erst 
jedenfalls den Italienern etwas geben, ging er nicht weiter ein. Da 
der Botschafter schon morgen früh zurückkommt, habe ich es für 
richtiger gehalten, in Details d eser Frage, die doch jedenfalls eine 
Reihe eingehender Unterhaltungen nötig machen wird, von mir aus 
[nicht] 4 näher einzugehen. 
Dagegen habe ich gleich darauf mit Hoyos ein längeres Ge¬ 
spräch gehabt, wobei er von sich aus auf die Frage des Trento zu 
sprechen kam und mich fragte, ob man bei uns an diese Kompen¬ 
sation dächte, was ich bejahte. Er wies dies durchaus nicht ab, 
verschloß sich vor allen Dingen nicht den Argumenten, daß damit 
der Irredentismus aus der Welt geschafft werden würde. Ich habe 
ihm au< h gesagt, daß es sich ja gegebenen Falles um das verhält¬ 
nismäßig kleine Gebiet des Bistums Trient zu handeln brauche. 
Er nahm alles freundschaftlichst an, erwähnte dann noch als etwaige 
Kompensation für Italien, daß man ihm den Dodekanesos ver¬ 
schaffen könnte5. Übrigens vertrat er den Standpunkt, dü3 Italien 
an sich kein Recht auf Kompensationen aus dem Abkommen her¬ 
leiten könne, da dieses sich nur auf die Türkei bezieht. Ich habe 
ihm aber entgegengehalten, daß in diesem Fall nicht von recht¬ 
lichen, sondern nur von politischen Gesichtspunkten die Rede sein 
könne, und daß Österreich mit Rücksicht auf das Bundesverhältnis 
alles tun mü;se, um Italien um jeden Preis bei der Stange zu 
halten. Schließlich riet ich ihm, sie sollten bei etwaigem Ausbruch 
des Konflikts mit Serbien in Rom erklären, daß sie gar keinen 
Territorialerwerb beabsichtigten, daß sie aber, falls die Ereignisse 
einen solchen nöt g machen sollten, Italien in der weitgehendsten 
Weise entschädigen würden. 
Soeben war ich wieder bei Berchtold, der mir sagte, daß 
morgen die Note mit Tisza endgültig festgestellt werden solle, 
und daß sie immer noch je nach den Tagesereignissen (Interview 
Pasch.tsch, Artikel der »Samouprawa« etc ) modifiziert werde. Hoyos 
sagt mir eben, daß die Forderungen doch derart seien, daß ein 
4 »Nicht« fehlt in der Ausfertigung. 
5 Siehe Nr. 09.
	        
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