Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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nach dem Vorbild des ehemaligen Regimes im Sand- 
schak. Griechenland bestehe auf Defensivbündnis. 
Er trete dafür ein. daß die Pforte den Bündnisan¬ 
trag annel me. Früher sei er für Anschluß an Bul¬ 
garien gewesen, habe sich aber in Rumänien und 
durch mich überzeugen lassen, daß das Bündnis mit 
Griechenland vorzuziehen sei. Großwesir werde dem¬ 
nächst zwecks Finalisierung des Übereinkommens 
mit Veniselos in Brüssel Zusammentreffen. 
Falls die Türkei mit Griechenland sich verbündet 
und Bulgarien sich inzwischen Österreich bzw. dem 
Dreibund angeschlossen hat, so könnte der Fall 
eintreten, daß Bulgarien gleichzeitig mit Österreich 
Serbien angreift, wobei Griechenland Serbien Hilfe 
bringen müßte, dann wäre der casus foedeiis für 
die Türkei gegeben, die ihrerseits gegen den Bundes¬ 
genossen Bulgariens Österreich, also auch gegen uns, 
marschieren müßte. Dazu würde sie sich aber nur 
entschließen, wenn das griechisch-türkische Bündnis 
vorher unter den Schutz Rußlands bzw. der Triple- 
Entente gesiellt wäre. 
Ich habe heute dem Großwesir unter vorsich¬ 
tigem Hinweis auf die Möglichkeit einer ernsteren 
Wendung der serbisch-österreichischen Beziehungen 
richtig. nahegeiegt, vor Klärung der Lage keinerlei Bündnisse 3 
zu finalisieren4. 
Großwesir sagte mir, in der Bündnisfrage habe 
nicht Talaat Bei, sondern er das letzte Wort. Er 
werde zwar mit Veniselos demnächst zusammen- 
keine Einigkeit! treffen, gedenke aber nicht auf den griechischen 
Bündnisantrag ein\ugehen. Die Inselfrage lasse sich 
voraussichtlich auch ohne Bündnis lösen. 
Prinz Said Halim bemerkte schließlich, daß 
die Verhandlungen zwischen Talaat Bei und Venise¬ 
los in letzter Zeit unter Vermittlung Herrn Dillons 
geführt worden seien. 
Wan genheim 
• 3 »Bündnisse« von Jagow im Telegramm an den Kaiser unterstrichen. 
4 Satz »Ich habe heute finalisieren« lautet in .lagowsTelegramm an 
den Kaiser: »Es wäre daher angesichts der Möglichkeit einer ernsteren Wen¬ 
dung der serbisch-österreichischen Beziehungen wohl besser, wenn vor 
Klärung der Lage keinerlei Bündnisse tinalisiert würden.« Dazu die 
obenstehende Randbemerkung des Kaisers.
	        
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