Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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Nr. 74 
Der Oberquartiermeister I im Großen Generalstabe an den 
Staatssekretär des Auswärtigen (Privatbrief)12 
Ganz vertraulich! Ivenack, den 17. Juli 19141 3 
Lieber Jagow! 
Soeben hat mir mein Adjutant ein Schreiben Kagenecks an mich 
gebracht, in dem er mir auf meine Fragen wegen der militärischen 
Absichten in Wien so gut er kann Auskunft gibt. 
Da General Conrad verreist war, hat Kageneck meine Fragen 
dessen Vertreter, dem General Höfer vorgelegt, den ich als ver¬ 
ständigen Mann kenne. Diesem zufolge hat man die Absicht, gegen 
Serbien 6 Armeekorps einzusetzen und einstweilen in Galizien nichts 
zu unternehmen. Sollte .Rußland eingreifen, so würde man von 
Serbien loslassen und alles gegen den Hauptgegner einsetzen. 
Das sind vernünftige Ansichten. Ich möchte aber bei dieser 
Gelegenheit meine persönliche Ansicht dahin aussprechen, daß wir 
gut tun, nicht auf eine sehr schleunige Wirkung der österreichischen 
Heeresmaßnahmen zu rechnen, denn: 
1. haben partielle Mobilmachungen immer ihre Haken, 
2. bedarf jedes Loslösen vom Gegner einer gewissen Zeit und 
3. macht man sich in Wien noch keinen Vers davon, wo sich 
die Serben eventuell stellen werden; geschieht dies, was leicht möglich 
ist, im südlichen Serbien, etwa be^ Nisch, so wird die Entscheidung 
hinausgezögert und die weiteren Bewegungen dauern länger. 
General Moltke4 denkt am 25. d. M. nach Berlin zurückzukehren. 
Ich bleibe hier sprungbereit5; wir sind im Generalstabe fertig, einst¬ 
weilen ist von uns ja nichts zu veranlassen. 
Schönsten Gruß. Immer in alter Gesinnung 
der 
Deine 
Waldersee 
1 Nach der Ausfertigung von der Hand des Grafen Waldersee. 
2 Von Jagow zu den Akten gegeben. 
8 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 19. Juli vorm. 
4 Generaloberst von Moltke, Chef des Generalstabs der Armee, ab 28. Juni 
nach Karlsbad beurlaubt. 
5 Waldersee hatte ab 7. Juli Urlaub, den er am 8. Juli abends an trat.
	        
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