Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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Herzegowina eine nennenswerte kaisertreue Be¬ 
völkerung gebe, wollte der Minister nicht zugeben5. 
Es könne sich, wie er wegwerfend bemerkte, höch¬ 
stens um einige Muhamedaner und Katholiken 
Ei! Ei! handeln. Ebenso bestritt Herr Sasonow, daß, wie 
österreichischerseits behauptet werde, das Attentat 
auf ein großserbisches Komplott zurückzuführen 
sei. Jedenfalls sei in dieser Beziehung bis jetzt 
nicht das Geringste bewiesen6 und es sei im höchsten 
Maße ungerecht, die serbische Regierung, die sich 
vollkommen korrekt verhalte, für das Verbrechen 
verantwortlich zu machen, wie es in der österreichisch¬ 
ungarischen Presse geschehe. Mit demselben Recht 
hätte Rußland wiederholt die französische Regierung 
für Attentate, die auf französischem Boden vorbe- 
warum geschah es reitet und in Rußland verübt wurden, \ur Rechen- 
nicht? schaft \iehen können. 
Ich erwiderte dem Minister, man könne, wie 
mir scheine, doch nicht umhin zuzugeben, daß die von 
den Serben seit Jahren in Bosnien und der Herze¬ 
gowina betriebene und von Serbien aus geschürte 
antiösterreichische Agitation zum mindesten viel 
dazu beigetragen habe, den Plan zu dem verab¬ 
scheuungswürdigen Verbrechen zur Reife zu bringen. 
Herr Sasonow blieb dabei, daß es sich nur um die 
sagt dasselbe wie Tat vereinzelter unreifer junger Leute handele, 
Pasitsch deren Verbindung mit einem weitangelegten poli¬ 
tischen Komplott keineswegs erwiesen sei. 
Ich wies ferner darauf hin, daß das Attentat eine 
neue ernste Mahnung an die alten Monarchien ent¬ 
halte, ihres gemeinsamen Interesses und der gemein¬ 
samen Gefahren, die sie bedrohen, eingedenk zu sein. 
Herr Sasonow konnte nicht umhin, dieser Bemerkung 
zuzustimmen, es geschah aber mit weniger Wärme1, 
als ich sonst bei ihm zu finden gewohnt bin, wenn 
die Rede auf die monarchischen Interessen kommt. 
Diese Zurückhaltung ist nur durch den unversöhn¬ 
lichen Haß des Ministers gegen Österreich-Ungarn 
richtig zu erklären, einen Haß, der überhaupt hier mehr 
und mehr jedes klare und ruhige Urteil trübt. 
Wir werden, wie ich glaube, mit dieser Erscheinung, 
die auch notwendig auf unsere Beziehungen zu 
6 Desgl. 
6 Am Rand zwei Ausrufungszeichen des Kaisers. 
7 »weniger Wärme« vom Kaiser zweimal unterstrichen, am Rand Aus¬ 
rufungszeichen.
	        
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