Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

traurigen Anlaß geltend, und die Entrüstung über 
die an den Serben in der österreichisch-ungarischen 
Monarchie geübte Rache übertönte schon nach 
wenigen Tagen alle Äußerungen der Teilnahme für 
den greisen Kaiser Franz Joseph und sein Reich. 
Die von der hiesigen österreichisch-ungarischen 
Vertretung veranstaltete Trauerfeier fand allerdings 
unter zahlreicher Beteiligung der offiziellen Kreise 
statt. Von Großfürsten erschienen der mit der 
Vertretung des Zaren beauftragte Großfürst Nikolai 
Nikolajewitsch und der Großfürst Boris Wladimiro- 
witsch. Die Minister waren nahezu vollzählig und auch 
die militärische Umgebung des Zaren sehr zahlreich 
vertreten. Abgesehen von dieser äußeren Beteiligung 
war aber von einer aufrichtigen Teilnahme an der 
Trauer des österreichischen Kaiserhauses wenig 
merken. Nicht nur in der Presse, sondern auch in der 
Gesellschaft begegnete man fast nur unfreundlichen 
Er wollte ja immer Urteilen über den ermordeten Erfher^og unter 
den alten 3 Kaiser- Hinweis darauf daß Rußland in ihm einen erbitterten 
bund ' wieder her- peind verloren habe. Mit Vorliebe wurden Er- 
steien. r war zählungen verbreitet, nach welchen der Erzherzog 
^ Rußlands™1' auc^ *n se^ner eigenen Heimat wenig Freunde ge¬ 
habt und selbst mit Kaiser Franz Joseph nicht gut 
gestanden habe. 
Sogar Herr Sasonow verweilte, als ich ihn zum 
ersten Male nach dem Attentat sprach, nur kurz 
bei der Verurteilung dieses Verbrechens, während 
er nicht genug Worte der Kritik über das Ver¬ 
halten der österreichisch-ungarischen Behördenz, 
welche die Ausschreitungen gegen die Serben zuge¬ 
lassen hätten, finden konnte. Als ich den Minister 
darauf hinwies, daß es begreiflich erscheine, wenn 
die kaisertreue Bevölkerung in der ganzen Monarchie 
und besonders in Sarajevo infolge der scheußlichen 
Bluttat in hochgradige Erregung geraten sei, und 
wenn die Polizei, welche, wie schon die ungenügenden 
Sicherheitsmaßregeln bewiesen, anscheinend ihrer 
Aufgabe nicht gewachsen war, den Kopf verloren 
habe, wollte Herr Sasonow diese mildernden Um¬ 
stände nicht gelten lassen. Er gab vielmehr deut¬ 
lich zu verstehen, daß nach seiner Überzeugung die 
Behörden absichtlich der Volkswut die Zügel hätten 
schießen lassen3 4. Daß es in Bosnien und der 
3 Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers. 
4 Desgl. 
Aktenstücke L 
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